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Donnerstag, 14. Januar 2010

SECHZIG-JAHRES-FEIER DER GÖPPINGER MARKTAPOTHEKE (Mit Kalender)

Dieter Schlesak

SECHZIG-JAHRES-FEIER DER GÖPPINGER MARKTAPOTHEKE (Mit Kalender)
Feier der „zivilen“ Nachkriegsapotheke des Auschwitzapothekers Dr. Victor Capesius

Auschwitz? Auschwitzapotheker? Capesius? Nie gehört! Sind wir schon in der Zukunft angekommen? Die „Neue Württembergische Zeitung“ in Göppingen feiert. Sie feiert das sechzigjährige Bestehen, der „Marktapotheke“ in Göppingen, sie hat sogar einen Kalender herausgegeben, in dem die Markt-Apotheke schön abgebildet und gefeiert wird: 60 Jahre Auschwitzapotheker: die Apotheke in Göppingen. Ein Jubelfest. „Göppinger. In den Goldenen Fünfziger. Die Guten Taten“. Es ist nicht zu glauben! Diese Apotheke wurde vom Auschwitzapotheker, der das Zyklon B verwahrte und „ausgab“ selbst an der Ermordung von Zehntausenden von Menschen beteiligt war, gegründet, und zwar, wie es im Prozess heißt, mit dem von ihm geraubten Gold, das von den herausgerissenen Zähnen der Ermordeten stammte. Er hat sogar noch zusätzlich einen „Schönheitssalon“ in Reutlingen „gegründet“, soviel Gold hatte er aus Auschwitz mitgebracht, das nach der Gründung der Marktapotheke, noch Gold für die Schönheit, pardon, den „Schönheitssalon“ übrig blieb! Wann wird dieser nun gefeiert?
Ich habe die Dokumente dazu in meinem Dokumentarroman „Capesius, der Auschwitzapotheker“ (Dietz, Bonn, 2006), veröffentlicht. In „Capesius, der Auschwitzapotheker“ sind Teile aus der Anklageschrift abgedruckt, auch was das geraubte „Gold“ betrifft. Capesius wurde auch wegen dieses Raubes verurteilt.

„Die NWZ sieht keinen Zusammenhang zwischen der Gründung der Apotheke und ihrem Gründer“, schrieb mir Werner Renz vom Fritz-Bauer-Institut Frankfurt, wo die Prozessakten des Auschwitz-Prozesses aufbewahrt werden. Hier der Brief des Chefredakteurs der NWZ Göppingen, ein Ort, der Kenner aufhorchen lässt, an das Fritz-Bauer-.Institut: „

Victor Capesius, der Gründer der „Marktapotheke“ wurde im Auschwitzprozess als Auschwitzapotheker zu neun Jahren Haft verurteilt, die er auch abgesessen hat.
Mit ihm und seiner Frau habe ich in der Marktapotheke 1976 und 1978 ein durchaus „historisch“ zu nennendes Gespräch über seine Tätigkeit als Auschwitz-Apotheker geführt. Es ist im Roman „Capesius, der Auschwitzapotheker“ zu großen Teilen abgedruckt. Es gibt aber seine Stimme im Gespräch, das in der gefeierten Marktapotheke zu Göppingen geführt wurde, also in „ seiner“ Apotheke, und als Marktapotheken-Gespräch bezeichnet werden kann, durchaus authentisch, aufgezeichnet auf CD und hörbar, es lässt sich auch beim Fritz-Bauer-Institut (Werner Renz), wo es archiviert ist, bestellen.
In diesem Marktapotheken-Gespräch heißt es unter anderem:

CAPESIUS (in Göppingen): „Ja, aber es sind 200 000 oder 250 000 gleich ins Gas gegangen, die haben nichts zu essen bekommen.“

In etwa 900 Tagen kamen über 600 Todeszüge mit über einer Million Juden und ca. 20.000 Sinti und Roma in Auschwitz an. Tag für Tag, Tag und Nacht waren die SS-Leute an der Massenvernichtung beteiligt. Die meisten Opfer gingen direkt ins Gas. Wenn die Türen 20 Minuten nach dem Einfüllen von Zyklon B geöffnet wurden, fanden die Häftlinge, die zu ihrer Räumung abkommandiert worden waren, bis zu 2.000 ineinander verkeilte nackte Leichen. Säuglinge, Kinder und Kranke, totgetreten auf dem Boden; dort breitete sich das Gas zuerst aus. Darüber lagen die Frauen, ganz oben die kräftigsten Männer. Um Geld zu sparen, wurde meist nicht genug Zyklon B eingeworfen, so dass die Tötung bis zu zwanzig Minuten dauern konnte und die schwächsten Opfer in ihrem Todeskampf unten blieben.

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