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Sonntag, 28. Februar 2010

dieter schlesak: II Eine Debatte in ZEIT online zu "Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod?"DIE REVOLUTIONIERUNG DER WELT DURCH DIE „NEUE PHYSIK“

dieter schlesak: II Eine Debatte in ZEIT online zu "Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod?"DIE REVOLUTIONIERUNG DER WELT DURCH DIE „NEUE PHYSIK“

II Eine Debatte in ZEIT online zu "Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod?"DIE REVOLUTIONIERUNG DER WELT DURCH DIE „NEUE PHYSIK“

DIE REVOLUTIONIERUNG DER WELT DURCH DIE „NEUE PHYSIK“

Konsequenzen eines neuen Paradigmas

Ausgangspunkt bei unserer Diskussion, wo es um Grenzphänomene, aber auch um den „harten Kern unseres Wissens“ geht, muss sein, was am schönsten C. F. von Weizsäcker formuliert hat:: „Nüchternheit ist erforderlich. Selige Sehnsucht aber - das sollt ihr niemand sagen, nur den Weisen... Die Wissenschaft führt an die Schwelle einer Erfahrung, die sich der Meditation, aber nicht der Reflexion erschließt. Dies ist vernünftig. Das begriffliche Denken kann einsehen, dass es den Grund seiner Möglichkeit nicht begrifflich bezeichnen kann.“



(Zitiert in „Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod“, Bod 2010: http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=297277)
 und

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Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen: Es gibt gewisse interpretierbare Fakten, die darauf hinweisen, dass wir nach dem Tode nicht vernichtet werden. Doch die Antwort auf diese Frage lautet immer noch: Es lässt sich „wissenschaftlich“ nicht beweisen. Dass die Welt in ihrer „Substanz wesentlich Subjekt“ sei, wie Hegel lehrt, ist und bleibt eine Sache des Glaubens, auch wenn noch soviel empirisches „Beweismaterial“ angehäuft wird. Glaubende, ja, persönlich Überzeugte etwa von der Wiederverkörperung, waren nicht nur Buddhisten und Pythagoräer, sondern auch so große Geister wie Platon, Cicero, Spinoza, Goethe, Rousseau, Schopenhauer; Novalis meinte, in der Zeit Christi einmal gelebt zu haben, Stefan George im alten Spanien. „Die Seelen im jenseitigen Ort wählen den Leib ihrer Wiederverkörperung, damit ihre Affekte und ihr Schicksal selbst.“ Eine tiefsinnige Lehre... „Wer aber ist das Subjekt dieser Wahl?“ fragt C. F. von Weizsäcker in seiner Einleitung zu dem Buch des indischen Yogi Gopi Krishna „Biologische Basis der Glaubenserfahrung“ und bezeugt: „Die Naturwissenschaft ist heute außerstande, etwas dazu zu sagen.“ Das ist ein Manko, denn: „Solange der Blick nicht auf die Subjektivität der Natur gefallen ist, ist unsere Wissenschaft nicht volle Naturwissenschaft“. Doch entsteht bekanntlich ein Teufelskreis, wenn wir hier den Ausbruch versuchen, sitzen wir doch im Gefängnis der erkannten und technisch umgesetzten Gesetze, die die Bedingung unserer Erfahrung als Subjekte sind. Vorerst werden wir gleichzeitig getrennt und durch diese Trennung hingeführt zum Subjekt der Natur; über den eigenen Schatten aber können wir nicht springen.





Die Parapsychologie aber muss eine „Parascience“, ein „Zwischending“ bleiben, und die brisantesten Phänomene Grenzgebiet der Grenzgebiete. Sonst läuft sie eben Gefahr, auch den kleinen von ihr eroberten „wissenschaftlichen“ Boden unter den Füßen zu verlieren - und damit jene Existenzberechtigung, derer es durchaus bedarf, nachdem in einem rund vierhundert Jahre währenden Wettstreit zweier Kulturen, der naturwissenschaftlich-rationalen und der geisteswissenschaftlich-humanen, an die alles delegiert wurde, was mit dem „unzuverlässigen“ Subjekt zu tun hatte, der rationalistische Scientismus alles andere verdrängte. Keine Hoffnung auf ein lebensnotwendiges Gleichgewicht hat sich bisher bestätigt, im Gegenteil: sie schlägt heute in apokalyptische Visionen um. Was Wunder, dass das Pendel nun in die Gegenrichtung auszuschlagen droht, wovon gerade auch die Massenwirksamkeit von Psi und sein missverstandener Suprarealismus profitieren?

Damit kehren wir zum Anfang unserer Untersuchung zurück: Zur Objektivitätskrise, die eben durch jene Wissenschaft hervorgerufen wurde, die den Bruch zwischen Subjekt und Objekt eingeleitet hatte: die Physik. So sind es vor allem ihre bedeutendsten Vertreter, die heute fragen, wie die „kulturgebundene Blickbeschränkung“ (v.Weizsäcker) der Wissenschaft, die durch die Ausklammerung des Subjekts entstanden ist, allmählich aufzuheben sei. Einstein wusste und hat es ausgesprochen, dass jenseits der Relativitätstheorie die experimentelle Beweiskette nur durch Logik fortgesetzt werden kann. Und Werner Heisenberg hat noch im Jahre seines Todes auf seine mit Wolfgang Pauli aufgestellte Weltformel verwiesen: Elementarteilchen sind letztlich Strukturen, und die Suche etwa nach einem materiellen Ur-Teilchen, dem Quark, ist ein unglückliches Erbe „schlechter Philosophie“ in der Tradition Demokrits. Das eigentlich und letztlich Reale seien „Darstellungen von Symmetriegruppen, die den symmetrischen Körpern der platonischen Lehre gleichen“ (in seinem Vortrag auf der Frühjahrstagung 1975 der Deutschen physikalischen Gesellschaft: Was ist ein Elementarteilchen?).

Nicht nur Heisenberg greift auf Platon zurück, um auszudrücken, was er mit seiner Weltformel meint ; auch andere Physiker wandten sich zu Formeln alter Weisheit, um zu jener „Ideologiefreiheit“ zu kommen, die schon am Anfang der modernen Wissenschaftsgeschichte Bacon ausgesprochen hat: Dass Unreinheit unseres eigenen Geistes der Ursprung allen Irrtums sei. Das Eingeständnis des Nicht-Wissens ist also nach wie vor höchste abendländische Tugend. Darin trifft sich Quantenphysik und alte Philosophie bis hin zu Sokrates . In diesem Sinne wird etwa die Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Stunde (als Ersatz für unser Nicht-Wissen dessen, was zwischen Subjekt und Objekt geschieht) als Erkenntnismittel für die doppelte Kluft unserer Unwissenheit eingesetzt. Dabei geht es fast diabolisch zu - alles, auch der Umweg, gar Irrweg scheint zum Ziel zu führen. Obwohl nur von „logischen Umformungen dessen, was wir nicht wissen, gesprochen werden kann, wird sich eine solche Aussage über unser Nichtwissen, als Häufigkeitsaussage interpretiert, empirisch bewähren“, erklärt ein so bedeutender Wissenschaftstheoretiker wie Karl Popper. Damit stößt letztlich auch die Wissenschaft in jene Bereiche vor, wo es sich zeigt, dass die Natur keinen Zufall kennt. Statistik erscheint nunmehr als Ersatz für die Subjektivität der Natur, ja für eine Art Schicksalsbegriff. Die Berechnung unseres Nichtwissens wird zum Wissen.

Auch der Psi-Forschung, die von der „anderen Seite“ kommt, hat die statistische Methode, die zuerst von J. B. Rhine in den USA angewendet wurde (Rateversuche mit Spezialkarten), die akademische Anerkennung eingebracht. Heute gehören die am besten abgesicherten Experimente in diesen Bereich. So vor allem Helmut Schmidts Zufallsgenerator und seine Erfolge mit dem Versuch, Quantengeschehen, Psi-Geschehen und ihre ähnlichen Gesetzmäßigkeiten in Wechselwirkung zu studieren. Denn nicht nur die Quantenmechanik hat gezeigt, dass jede Messung an einem atomaren System zu Störungen führt; auch die Ergebnisse der experimentellen Parapsychologie ließen sich in diesem Sinn interpretieren: Nach Schmidt weisen diese Ergebnisse darauf hin, „dass etwa ein statistisches atomares System nicht nur durch den Akt seiner Messung, sondern schon durch den reinen Gedanken eines Beobachters beeinflusst werden kann“.

Bei solchen Überlegungen stoßen wir zwangsläufig auf die Frage, die immer wieder von allen Seiten Animositäten hervorruft: Ob es überhaupt zulässig sei, Psyche und Physik zu „korrelieren“, da der eine Bereich auf den anderen ebenso wenig reduzierbar sei, wie sich Gefühle in Logarithmen ausdrücken lassen. Erinnern wir uns an Einsteins und Heisenbergs Überzeugung, dass wir am Grunde der Welt nur mathematische Formeln für Informationsprozesse finden werden. Und fügen wir das Wort von Bertrand Russell hinzu, dass wir über die Wirklichkeit „gerade so viel wissen, wie mit mathematischen Formeln ausgedrückt werden kann - aber über ihre Natur wissen wir nichts“. Ist dem aber so, wie sollten wir uns dann nicht wundem, dass wir von der Natur des Geschehens so wenig wissen und es doch beherrschen? (Letztlich ist ja auch das „normale“ Sehen genauso okkult wie Hellsehen, die „Natur“ des Lichtes genauso rätselhaft wie die „Natur“ von Psi.) Und wie sollten wir nicht eine Erklärung versuchen, indem wir das Bewusstsein (den „subjektiven Faktor“) in materielle Vorgänge einbeziehen, um uns Zugang zu Qualitäten zu verschaffen, die bisher immer streng von der Wissenschaft ausgeschieden wurden? Hat die analytische Verfahrensweise abendländischer Wissenschaft, die das Numerische zum neuen Gott erklärte, vielleicht ihr eigenes Paradigma mit dessen eigenen Mitteln überschritten und ist sozusagen mit mehr Wissen wieder am Beginn angekommen? Schließt sich hier ein Kreis?

Heute wohl doch noch nicht. Wir sind immer noch im Stadium einer „negativen Dialektik“. Die Gleichung dafür haben wir aufgrund von Störung oder gar Zerstörung von Wirklichkeit erhalten - alles, was der Westen der Natur abrang, ist durch mephistophelische Negation erkannt worden. „So ist ein Atom nicht ein System aus Kern und Elektronen, sondern man findet nur Kern und Elektronen, wenn man das Atom zerstört“, formuliert C. F. v. Weizsäcker. Letztlich hält uns also die Natur den Spiegel unserer eigenen Mittel und Instrumente vor, z. B. beim Experiment - doch ist aus eben diesem Wissen des Nichtwissens mehr Herrschaft und mehr Wissen geworden. Der Okzident hat mit seinem „Stückwerk“, den aus dem großen Zusammenhang gerissenen Natur-Zitaten, ein so hochempfindliches, deshalb auch störanfälliges Zivilisations-System und ein so sensibles Paradigma aufgebaut, dass dieses im Negativbild nun seine Mängel selbst anzeigt - als „ein Indikator für Anomalien und damit für die Gelegenheit zum Paradigmenwechsel“ (Thomas S. Kuhn). An den „Grenzen des Wachstums“ zeigt sich nun an, wie sehr eine Vernachlässigung der kosmischen Zusammenhänge, also des „Ganzen und Einen“ wider die Natur ist.

Die Menschheit hat dies durch die atomare und nun durch die ökologische Krise drastisch erfahren müssen.



DIE ZWEITE AUFKLÄRUNG.

Das Scheitern der Postmoderne und des Fortschrittsgedankens. Ein neues Paradigma, Ausgang an der Grenze unseres Wissens





Die besten Köpfe im Westen, wie Foucault oder Derrida, George Steiner, Paul Virilio oder am genausten vielleicht Jürgen Habermas in seiner schon 1984 erschienenen Untersuchung „Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfung der utopischen Energien“, haben auf das Scheitern der Moderne und ihres Fortschrittsgedankens seit 1789 hingewiesen; und diese Skepsis gab es schon in der „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno. Was neu ist und bei Althusser bis in den Wahnsinn hinein durchlebt wurde, spricht auch Habermas aus, dass nämlich „die Erschöpfung utopischer Energien nicht nur eine der vorübergehenden kulturpessimistischen Stimmungslagen anzeigt, sondern tiefer greift. Sie könnte eine Veränderung des modernen Zeitbewusstseins überhaupt anzeigen.“ Dass sich nämlich die „Struktur des Zeitgeistes und der Aggregatzustand der Politik“ radikal verändern, dass wie vor 200 Jahren „die Paradieseshoffnungen mit der Verzeitlichung der Utopien ins Diesseits eingewandert sind“, so würden heute „die utopischen Erwartungen ihren säkularen Charakter verlieren“ und möglicherweise wieder transzendenten, grenzüberschreitenden Charakter annehmen, wie Habermas vermutet, um diese These dann sogleich zurückzunehmen, als habe er Selbstverrat geübt. Dass wir aber an einer Zeitgrenze angekommen sind, wie es auch bei Steiner oder Virilio anklingt, und wie es vor allem die moderne Quantenphysik und ihre längst im Hintergrund der Geschichte wirkende immaterielle Licht-Realität anzeigt, lässt sich nicht mehr leugnen, dass allerdings alte Theorie, Alltagsdenken und Politik hinterherhinken, ist auch offensichtlich. Das Unsichtbare nämlich ist heute mehr denn je die Hirnsyntax der Geschichte. Nicht nur die Tatsache der Vernichtung ist da, sondern damit verbunden ein radikaler Bruch mit der Körperwelt. (Doch auch ihr Aufstand, Aufstand der Enge in den Ethnien und alten Machtkonstellationen). Wenn nicht alles täuscht, steht seit einiger Zeit schon ein Paradigmenwechsel an. Unser Weltentwurf scheint an eine Grenze gekommen zu sein, wo es auf gewohnte begriffliche oder anschauliche und sinnliche Weise nicht mehr weiter geht. „Die Wissenschaft führt an eine Schwelle von Erfahrung, die sich der Meditation, aber nicht der Reflexion erschließt“, heißt es bei Carl Friedrich von Weizsäcker, „dies ist vernünftig. Das begriffliche Denken kann einsehen, dass es den Grund seiner Möglichkeit nicht begrifflich bezeichnen kann.“ Wenn hier also die Grenze unseres Weltentwurfs ist, wie soll es dann weitergehen? Auf die gleiche Weise, wie Quantentheorie, Elementarteilchenphysik und Relativitätstheorie das vorherige, das newtonsche Weltbild, damit das Kausalitätsgesetz, die bisherige Vorstellung von Raum und Zeit in Frage gestellt haben, müssten nun heute geltende „Naturkonstanten“ - die wichtigsten sind die „Lichtgeschwindigkeit“ und die Heisenbergsche „Unschärferelation“ - die die Möglichkeit des Forschers einschränken, überschritten werden. Dieses wäre - auch nach Ansicht der Experten - der Ansatz für den nächsten Weltentwurf: „Die Verbote der Überlichtgeschwindigkeit und der überreinen Fälle (Heisenbergs Formeln) fordern aber... den Forscher geradezu auf, nach den verbotenen Vorgängen zu suchen“. Tatsächlich ist schon jetzt der Wissenschaftsentwurf bei der Überlichtgeschwindigkeit angekommen, denn die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit ist in dem uns bekannten Bereich der Welt nur mentalen Prozessen möglich. Und diese Prozesse sind es heute, die mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte machen: Denken wird objektiv, lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch und beherrscht im Gerät die Natur und die Gesellschaft. Die Tatsache, dass es gelingt, durch mathematische Strukturen so weit vorzudringen, z.B. „Materie“ als „integrale Differentialrechnung in einem vierdimensionalen Raum“ zu fassen (nach Planck), in geistige Prozesse aufzulösen, zeigt deutlich, dass der Mensch und sein Wissen in eine andere, als in die Körperwelt gehören.

Nach 1989 wird dieser Bruch und Abgrund besonders deutlich, deutlich auch, dass es keinen Sinn hat, in alten ostwestlichen Spiegelungen zu denken, deren Vorspiegelungen nicht dadurch wahrer werden, dass die eine Seite angeblich Recht bekommen hat; die Folgen werden überall verheerend sichtbar. Nein, es geht um einen Epochenbruch, um die „historische Schranke und Krise des gemeinsamen Bezugsystems“, wie es in einem 1994 bei Reclam Leipzig erschienen Buch heißt („Der Marxismus in seinem Zeitalter“), nämlich weder den bisherigen Gewissheiten, weder seinen Sinnen, noch seinem Denken zu trauen. Für Louis Althusser, den französischen Philosophen, waren Denken, Vorstellungen durchtränkt von unbewussten Schranken, Verboten, Blindheiten. Bei Althusser etwa heißt es über unsere Blindheit, die schon beim Lesen (man sieht nur, was man weiß oder wissen darf) auftaucht, über das Problem des Nichtsehenkönnens von Wahrheit: „Der entscheidende Schritt, den man tun muss, wenn man den Grund des aus dem Sehen bezogenen Versehens, erkennen will, ist dieser: Man muss die Vorstellung, die man sich gewöhnlich von der Erkenntnis macht, überprüfen, den Mythos.“

Die Vorbedingungen sind uns vorgegeben durch die Barriere des eben so erzogenen und zensurierten Bewusstseins; eine ontologische und eine Erkenntniszensur! Wenn wir genau hinsehen, was Althusser letztlich als Ausgangspunkt der Analyse sah, und „kommunistisch“, „materialistisch“ nannte, ist der Schock eines Durchbruchs durch jede Art Zensur im Alltagsbewusstsein, aber vor allem in der Erkenntnis und Wissenschaft, also eines völlig ideologiefreien und illusionslosen Sehens und Denkens, das sich keinen Sand in die Augen streuen lässt. Es wäre die „universale Zerstörung ... aller subjektiven Humanvorstellungen“ der von klassenmäßigen Interessenlagen gelenkten Vorstellungen eines gefangenen Bewusstseins, so Etienne Balibar, der Meisterschüler Althussers (in: Ecrits pour Althusser, 1991); Balibar nennt den Durchbruch durch starr Bestehendes eine „négativité absolue“, die die so Gefangenen befreien könnte; er gehört ins Umfeld der „negativen Theologie“ und erinnert an Bacons Konzept der „Reinigung“ von allen „idola“ am Anfang der Wissenschaftsgeschichte. Bacon nahm „Unreinheit des Geistes“ als Ursprung allen Irrtums an, die Natur selbst lüge nie; Beschränktheit, samt allen „Antizipationen“, Vorurteilen, „idola“, müssten durch sorgfältige „Reinigung des Geistes“ aufgehoben werden (Aphorismen, 36,42,69). Selbst-Kritik bei Althusser, ja zerstörerische Kritik der Bewusstseins- und Ego-Illusionen einer kollektiven Halluzination sind so zu verstehen, Aufbrechen einer zum Ding der Außenwelt von Macht und Ware gewordenen Bewusstseins. Ähnlich wie Walter Benjamin, der andere mit Erkenntnis-Schock arbeitende historische Materialist, geht es auch Althusser, etwa in „Das Kapital lesen“, um eine „Geschichtspause“, um eine „Nicht-Gegenwart“, eine Geschichts-Absenz: Wie kann die ewige Wiederkehr des Gleichen, die immergleiche Kette von Unterdrückung und Herrschaft und ihr Status quo durchbrochen werden? In der Julirevolution wurde auf die Uhren geschossen. Drei Neuformulierungen dazu finden wir bei Althusser, und darin besteht, nach Balibar, Althussers Originalität: erstens: Weil die Verblendung zur Unterdrückung gehört, kann sie, solange diese andauert, nicht aufgehoben wer den, sie ist aber immer mehr unserem Bewusstsein entzogen; zweitens: Der oben beschriebene Prozess der „Reinigung“ ist eine theoretische Besinnung auf das Unmögliche, Erhellung, dass wir von Betrug und Lüge infiziert, das, was wir nicht sein dürfen und können, als Außenwelt, als Schein der Gegenwart leben müssen; dass drittens die Ursachen dessen, was als Schein da ist, tief ins Unbewusste gedrungen sind, dass dieses Unbewusste so als kollektiver Schein Geschichte macht, an den wir aber im Selbstbefehl sozusagen angeschlossen sind und „mitmachen müssen“, ob wir wollen oder nicht! Dass sich so der alte „Klassenkampf“ ins Unsichtbare, nämlich in diese drei Dimensionen verlagern müsste; eine Arbeit an dem „Absenten“ wäre.

Absenz, ja, Zugeständnis von Nichtwissen, Schock eines Aufwachens aus der Blindheit ist auch für einen anderen Historischen Materialisten, Walter Benjamin, der sokratische Beginn, der Prüfstein, dass wir auf dem richtigen Weg sind. In seinem Passagen-Werk ist es, wie Eckhard Nordhofen präzise definiert, „die Marxsche Theorie vom Warenfetischismus selbst, die sich als theoretischer Platzhalter für das mystische Erlebnis anbot“, die negative Theologie des Entzogenen in den Dingen, sichtbar geworden durch sensible Wahrnehmung als Metapher und Bild in den Pariser Passagen, dort hatte nämlich „das Kollektivsubjekt seinen Traum gerinnen lassen. Traum, das ist die erkenntnistheoretische Metapher dafür, dass die Menschen der Epoche selber kein Wachbewusstsein von dem hatten, was sie herstellten.“ „Erwachen“ als Ziel.

Es ist das alte „nunc stans“, wie ein Todesaugenblick als Erkenntnismittel in der Stillstellung der Erkenntnis, Moment des Erwachens aus diesem Schein- oder Alp-Traumleben, Einleuchten im Erschrecken, bei den Alten genannt wurde.

Im Passagen-Werk heißt es: die „Passage“ sei „ immer dieses Eine und nie Nichts, aus dem ein anderes sogleich heraufsteigt. Der Raum, der sich verwandelt, tut das im Schoße des Nichts. In seinen trüben beschmutzten Spiegeln tauschen die Dinge den Kaspar-Hauser-Blick mit dem Nichts.“ Doch die Entlarvungsbewegung in diesem verzauberten Irrgang, der zur Verstrickung und Betörung und Kauf des so maskierten Wunschobjektes gedacht war, ist anders als bei Marx, genau wie bei Althusser, kein Garant der Zukunft, die ist immer schon im Blick des Jetzt blitzartig, aber sehr konkret, vergangen. Der Blick des Engels der Geschichte fällt mit der vergehenden Zeit, die diese Millionen verschleierten Blicke ergeben, auf die Katastrophe einer Kette des Abwesenden, das Übrige aber häuft sich als Schutt, Residuen der Verblendung. Und nur der weit geöffnete Blick im Erkenntnis-Schrecken verheißt eine Sicht auf den Negativfilm, der zu entwickeln wäre; doch es ist zur Umkehr im Versäumten immer schon zu spät. Bei Althusser ist es ebenfalls ein „Sous-Realismus“, erkennbar an den Dingen wie Tiefenmetaphern der irren Determination in der (von Gott, Gesetz, Eigentum, Macht usw.) vergifteten Geld-und-Institutions-Marionette Mensch. Absenz ist Simulation des Todes, der so real ist am Ende, wie sonst nichts: Der Punkt außerhalb der Sklaven-Kette.

Diese dramatische, ja, pathetische Erkenntnistheorie einer negativen Theologie, bei Benjamin mit messianischem Ausschlag, bei Althusser bis hin zu den Abgründen des Autismus und des unbewussten Mordes, der im Auslöschen das Unmögliche zu beweisen scheint, jenseits jeder Theorie. Diese Gnoseologie des Negativen und der Absenz, ist in der neuen Wissenschaft des Quants zur nüchternen Erkenntnislehre gediehen: Das, was wir noch nicht wissen, muss als Unbekannte in die Erkenntnis einbezogen werden, damit diese exakt sei! Es ist übrigens eine uralte Weisheit, wir finden sie nicht nur im Hegelschen Nichts, sondern auch im „Nichts“ der Kabbala oder bei Laotse: „Der Sinn, der sich aussprechen lässt, / ist nicht der ewige Sinn. Der Name, der sich nennen lässt, / ist nicht der ewige Name./ „Nichtsein“ nenne ich den Anfang von Himmel und Erde. „Sein“ nenne ich die Mutter der Einzelwesen. Darum führt die Richtung auf das Nichtsein/ zum Schauen des wunderbaren Wesens, / die Richtung auf das Sein zum Schauen der räumlichen Begrenztheiten.“

Bei Althusser heißt es: „Um das Unsichtbare und das `Versehen` sichtbar zu machen, um die Lücken in der Dichte des Textes und die leeren Stellen in seinem Zusammenhang zu identifizieren, bedarf es eines wissenden, eines neuen Blickes, der selbst das Produkt einer Reflexion jenes `Terrainwechsels` auf den Vorgang des Sehens ist...“





(In: Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein >Leben nach dem Tod, Bod Verlag 2010: http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=297277) und

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UND DIE KONSEQUENZEN? DIE ZUKUNFT?



Es ist schwer, dieses in ein paar Worten zu erklären, nämlich den Abgrund zwischen dem, was das Denken und das Handeln - bis hin zu den Politikern, Managern und Universitäten heute bestimmt, und den Dimensionen, auf die unsere gesamte Umwelt aufgebaut ist, nämlich eine Welt von Geist, die nicht als Geist erscheint. Genauer: Das, was uns umgibt, ist ja eine völlig andere, immaterielle Welt an einer unvorstellbaren Grenze zu einem neuen Weltmuster und Paradigma. Denken wir nur an unsere "elektronischen Haustiere," Computer, Radio, Fernsehen usw. Sie beruhen auf Formeln, die einmal "Einfälle", Intuitionen von genialen Menschen waren, es sind ähnliche "Gedankenblitze" wie in der Kunst, aus einem großen kosmischen Informationssystem, das alles bestimmt. Das Nicht-Materielle, das "Geistige" bestimmt heute mehr denn je alles, was geschieht, mentale Prozesse machen mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte, Denken wird "objektiv", lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch, beherrscht im Gerät die Natur und Gesellschaft. Völlig im Gegensatz dazu beherrscht der krasseste Materialismus die Köpfe und das Handeln. Die Menschen der Gegenwart bewegen sich und handeln in dieser neuen immateriellen Umgebung weiter so, als wäre es immer noch die alte Körperwelt. Das herrschende materielle Denken ist antiquiert, denn die Welt ist Geist, der nicht als Geist erscheint, wie ein bekannter Physiker formuliert! Der wahre, dieser verborgene "Zeitgeist" müßte wahrgenommen werden, in die Realiät der Lebenswelt eingehn. Und um diese notwendige Chance wahrzunehmen, so Noica, gebe es nur eine "kleine Spanne des Verweilens", eine Art gestundete Zeit. Deshalb nennt er unser Zeitalter des Übergangs auch "Zeitalter der Konjunktion". Und wirft den westlichen Intellektuellen vor, diese Chance nicht genützt, sondern versäumt zu haben! Sie hätten diese gestundete Zeitspanne "bis zum Absurden, zum Nonsens und Zynismus, die Euch so teuer sind, ausgedehnt." Er meint unter anderem die Verdrängungskultur, die die Aufklärung völlig mißverstanden habe, und eine zweite Aufklärung jenseits des alten Rationalismus nicht wahrnehmen will und kann. Ein Abgrund zwischen dem Sichtbaren und dem durch Zahlen geschaffenen technisch möglichen Unsichtbaren, der Raum und Zeit aufhebt, sei geschaffen worden.

Und kombiniert mit der Technik habe die "Zählgeschwindigkeit" im Computer die Welt verändert. Ebenso die Statistik: "Statistik bis zur phantastischen Zählweise der Mikroprozessoren." Anderseits erkennt Noica darin eine "Vorherrschaft des addierenden Geistes." Dieser nur addierende, flache Geist, habe sich aber heute im Gerät selbst überschritten, Messen, Maß sei notwendig, doch werde Messen eben vom Menschen, von einem Einzelnen, vom Subjekt, vom Beobachter vollzogen, und der Physiker weiß: Physik ist heute ohne das Subjekt nicht möglich.

Doch vor allem weist Noica, daran anknüpfend, in diesem zweiten Denkschritt darauf hin, daß es gerade wegen der neuen Erkenntnisse und ihrer Wissenschaft, einer Revolution des Einzelnen, des Individuellen bedarf, eines vergessenen Innenraumes, der weit über den nur sichtbaren Raum und die lineare Uhr-Zeit hinausgeht. Er meint jenen großen unsichtbaren Beziehungs-Raum, der alles, was existiert, verbindet (wir könnten es auch Information oder kosmische Information nennen!) Und hier liegt der Grund für seinen unverwüstlichen Optmismus, ja, seine unzerstörbare Vitalität und Ausgeglichenheit.

Macht des Geistes gegen jedes Inferno, ja, gegen die verzweifelte Situation des Menschen angesichts des Todes!?

(D.Schlesak, Zeugen an der Grenze unserer Vorstellung, IKGS 2006, Universität München)

+

Denn die Zeit als Phänomen hatte für Kant etwas Beunruhigendes, Gespenstisches, da er seinen Geist von einem anderen Reich her bestimmt sah, empfand er sich als Gefangener. Er sah sich fremd hinter einer Wand der Sinne stehn, und der Art, wie er und alle Menschen gezwungenermaßen sehen müssen, ausgesetzt. Er war einerseits ein Kind seiner Zeit, so daß er an die "Kontinuität", also auch an den Zwang der Uhrzeit glaubte, andererseits aber gab es für ihn viel Wichtigeres, so: "die Bestimmung seines Daseins nur in der Form des inneren Sinnes": "Das Bewußtsein seiner selbst und die Identität der Person beruht auf dem innern Sinn. Der innere Sinn aber bleibt doch auch noch ohne den Körper, weil der Körper kein Princip des Lebens ist, also auch die Persönlichkeit."

Fremd, weil der Mensch nach Kant eine Art Ebenbild des "höchsten Gutes", des "Einen" sei. Dieser "innere Sinn" aber gehe über die Alltagswelt der Sinne weit hinaus, da schon wegen des Voranrückens von Zeit in den Außeneindrücken eine Erfahrung überhaupt nur möglich sei, wenn "Zusammenhang" oder "Einheit" unseres Bewußtseins als "Gewußte" und zugleich Wissende, also Verstehen da sei. "Einheit der Apperzeption (oder des Bewußtseins)." "Einheit der Synthesis in der Mannigfaltigkeit" nannte Kant diesen Kernpunkt seiner Philosophie. Wir sind sozusagen "Gewußte" und zugleich Wissende. Diese "Selbstunterscheidung" ist nach Kant aber "schlechterdings unmöglich zu erklären, obwohl ... ein unbezweifelbares Faktum ... (sie) zeigt ... ein über alle Sinnenanschauung ... weit erhabenes Vermögen an ... den Grund der Möglichkeit eines Verstandes." Das Zauberwort dieses Vermögens heißt "synthetische Urteile" oder die berühmte "Einheit der Synthesis in der Mannigfaltigkeit", was am besten die Mathematik, die Zahl leiste, aber auch ein Begriff. Nun ist die Zahl das Substrat oder Subjekt der nicht wahrnehmbaren Zeit, die zur Unendlichkeit gehört, also zu einer undurchschaubaren Einheit eben jenes Einen und höchsten Gutes, dessen Spiegel auch der Mensch ist. Es geht eigentlich nur um die erwähnte Teil-Habe am "Einen", um das Gottes-Ebenbildliche in uns, das jedoch nicht zum Zuge kommen kann, weil wir uns selbst fremd sind, genau wie die Dinge uns fremd bleiben, als in den Körper Gefallene unbekannt bleiben müssen, solange wir nur getrennte Körper sehen, eine Art Sündenfall, weil wir im Körper und unseren Sinnen gefangen sind. Carl Friedrich von Weizsäcker hat das sehr schön am Beispiel der heutigen Theorie der Physik, der Quantentheorie gedeutet, die von Kants Denken gelernt hat: Die von uns sinnlich wahrgenommene Vielheit der Dinge - so Carl Friedrich von Weizsäcker - sei "letztlich nicht wahr." Isolierte Objekte bedeuten nur "mangelnde Kenntnis der Kohärenz ... der Wirklichkeit. Wenn es überhaupt eine letzte Wirklichkeit gibt, so ist sie Einheit. Vom Standpunkt dieser Einheit aus gesehen ... sind die Objekte nur Objekte für endliche Subjekte (d.h. für Subjekte, denen gewisses mögliches Wissen fehlt) ... (d.h. sie sind individuelle Seelen unter den Bedingungen der Körperlichkeit)." (Dieter Schlesak, Gibt es ein Leben nahc dem Tod? Der Philosoph Immanuel Kant und der Hellseher Emanuel Swedenborg in: Rowohlt Literaturmagazin Nr. 42 , S. 149-164 und in: Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Bod, 2010: https://www.libri.de/shop/action/productDetails/9591660/dieter_schlesak_zwischen_himmel_und_erde_3839139775.html)



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Adam, der Mensch, hat dieses Strömen der Ur-Information im Sündenfall unterbrochen, das Außen, den Augenschein, die Frucht vom Ur-Baum getrennt, das Wesen von der Erscheinung, und so kam der Tod in die Welt, denn der von seinem Urgrund und Wesen gerissene Körper stirbt ja "tatsächlich"; Formen sterben, die Information des Samens, der sie weiß, aber bleibt im Immateriellen erhalten! Essen vom Baun der Erkenntnis ist Trennung der Frucht vom Baum. Essen vom Baum des Lebens ist Osmose; "Essen" der Sinne, Aneignung der Welt heißt im Hebräischen "achol"; es verbindet A (Aleph), die Eins, mit chol, dem Vielen, dem spezifischen Schwingungsklang, der in jedem Ding als Eigenart vibriert. Liebe ist die Verbindung der fünf Sinne auf höherer Ebene der Berührung. a-chol. Das Zerreißen, Abreißen, die Spaltung aber ist die Hölle. Das Sichtbare, so vom Einen getrennt (A von chol), ist seither einem furchtbaren Ungenügen, ist den zerstörerischen Gewalten, die Macht über den Körper haben, wehrlos ausgeliefert. Heute ist dies als Riß in uns und in der Welt und als Schmerz in der sinnlosen Kontingenz des Beliebigen und Zufälligen zu spüren , die ja selbst nur ein Nichtwissen der Zusammenhänge, eines Zu-Fallens etwa, ist, dessen nihilistische Verabsolutierung eine Täuschung und Selbsttäuschung im Spiegel des Empirischen, des Ausgeschlossenseins von den höheren Sphären bedeutet. Im Schmerz aber zugleich auch die Not-Wende: Denn noch nie war diese größte humane Aufgabe, den Zusammenhang des Ganzen zum Sinn wieder herzustellen, die abgerissene Verbindung wieder aufzunehmen, so lebensnotwendig und dringlich, und dies nicht nur für die menschliche Welt. Jenes Falsche der Trennung, jener Makel ist nicht nur in einem, für viele unerklärlichen Leidensdruck spürbar, sondern auch in der Falschheit des klassischen Erkenntnisansatzes, der Trennung von "Innen" und "Außen", die in sich selbst zusammengehören und untrennbar in der Ebene eines höheren Komplexitätsgrades wirken, der sich in uns als Intuition spiegelt und im Erkenntnisblitz Eins sind: letztlich hält uns die Natur den Spiegel unserer eignen Mittel und Instrumente vor, so z.B, formuliert in Heisenbergs "Unschärferelationen", die die Berechnung einer zeitbedingten kognitiven Unfähigkeit sind. Erstaunlich ist, daß sich in der Quantentheorie unser Fehlverhalten sogar durch die auf den Beobachter bezogene Wahrscheinlichkeit und die damit verbundene "unvollständige Kenntnis eines Systems" berechnen läßt.. Daß nämlich die Unwägbarkeiten des Subjekts sowie die Unkenntnis vom ganzen Kosmos mit in die Imponderabilien eines Experiments als Unbekannte, um das Experiment "genau" ausdrücken und berechnen zu können, einbezogen werden müssen. Aber diese Falschheit und Störung des Ganzen durch unkontrollierbare Eingriffe ist für die gesamte Natur und für die menschliche Gattung insgesamt gefährlich geworden, sie äußert sich ökologisch, atomar und in zunehmendem Maße auch im biologischen Informationssystem als Krebs, als Aids und als Neurose und Geisteskrankheit. Und ist letztendlich in diesem festgefahrenen Glauben an "Objekte", also an den SCHEIN eines Augenbildes gebunden, also im tieferen Sinn durchaus auch an eine drastische Übertretung des BILDVERBOTES.

So wird im Hebräischen die Zahl Sechzig (Sechs = waw, das Und, Folge, Zeichen des Menschen, in der Zehnerreihe, der Ebene des Handelns) wie ein Kreis geschrieben, das Zeichen Samech, heißt Wasserschlange; es ist das teuflisch Schlüssige, die Evidenz des Kausalen und Rationalen, seine Verführung. Der Sinai: wo der Mensch Moses die Tafeln mit den "zehn Worten" empfing, ist Verführung und Wunder zugleich: Wiederholung der Paradiesmetaphern. Zum Blitz auf dem Berg nämlich kommt das höllische Tal unten: das Goldene Kalb, hebr. egel. Und egel heißt das Runde, der geschlossene Kreis. Der Fetisch Ratio also, abgezirkeltes Oberflächen-Bewußtsein, im Osten vormals zur Ideologie geronnen, zur konsequenten Idiotie der Abbild-Theorie in der Ästhetik!

Die Warnung vom Sinai: "Du sollst dir kein Bildnis, noch irgendein Gleichnis" von Gott machen, gilt auch für die menschliche Wirklichkeit. Und nun sogar total, wir leben heute in dieser alles erfassenden Herstellung von Welt in der künstlichen Bilderwut, da das Medium, das die Botschaft ist diese Wirklichkeit nun nicht im Selbstschöpferprozeß eines einsamen Genies, sondern für die Massen herstellt, die Natur ersetzt, Ersatzdroge für alle ist, sie überschwemmt so die selbstgeschaffene "Wirklichkeit" mit Bildern. Alle sind bald in der gleichen Lage wie früher Künstler, ohne sich jedoch anstrengen zu müssen, und ohne jedes Leidrisiko. Und sie stürzen in jenes Bild, verschwinden darin. Aber - verschwindet nicht, genau wie der Autor im Buch, nun diese Zivilisation in der eigenen Erfindung? Erledigt die bisherige sinnliche, unmittelbare Realität? Mit Gewalt? Sich der wirklichen Existenz via technischer Entwürfe zu entledigen, ist das Ziel. Als wäre ein grausamer Autor am Werk, der Wälder, Flüsse, den eignen Körper und alle andern Menschen abschafft! Diese aber ist keineswegs die "ganze Welt", und wer sie allein spiegelt und von ihr ausgeht, bleibt in ihren Irrtümern gefangen, auch wenn er behauptet, sie und ihre Resultate zu "kritisieren". "Du sollst dir kein Bildnis machen!" Wie wahr so spät. Dabei ist es doch auch hier nur kreative oder eher vernichtende Weltflucht, wie bei Autoren oder Diktatoren. Man hatte schon früh den Alten sterben lassen, um selbst seine Stelle einzunehmen.

(Dieter Schlesak: Über Sprachskepsis, Bildverbot und den Begriff Zeit, Rowohlts Literaturmagazin Nr. 34. S.78 )



ES LIESSE SICH AUS MEINEN BÜCHERN UNENDLICH ZUM THEMA WEITER ZITIEREN!



Nachzulesen auch auf meinem Blog: http://schlesak.blogspot.com

Eine Debatte in ZEIT online zu "Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod?"

In einem Kommentar zu einem Aufsatz aus meinem Buch, „Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod“, Bod Verlag 2010, den ich in ZEIT online veröffentlicht habe, und wo das Zitat eines Physikers vorkam,


hat ein Kommentator (Pg-Physiker nannte ich den Anonymen), der mit Sicherheit das Buch nicht gelesen hat, aber sich anmaßt über das ganze Buch zu urteilen, folgendes geschrieben und dadurch alle anderen Kommentatoren belehren wollen und zugleich irritiert:


"Zwar gibt es keinen naturalistischen Grund, ein Nachleben kathegorisch auszuschließen, jedoch gibt es bisher auch keinen Grund anzunehmen, dass der Mensch tatsächlich mehr ist als Chemie. Die Proponenten einer transzendentalen Qualität des menschlichen Bewusstseins oder des Substanzdualismus (beispielsweise Sie), welche für das Postulat einer tatsächlich transzendenten Nahtoderfahrung nötig sind, sind daher in der Bringschuld.

. Physiker (wie ich selbst) hängen dem, was Sie das "klassische Weltbild mit aller Maßgabe zu Wiederholbarkeit..." nennen, nicht nur klammheimlich, sondern vielmehr offen und leidenschaftlich, immer noch an, da dies schlicht die einzige Basis ist, auf der überhaupt Naturwissenschaft betrieben werden kann. Auch, und insbesondere übrigens, die Quantenmechanik kann nur auf diesem Grundsatz (auch naturalistische Prämisse genannt) betrieben werden. Die Behauptung, dieses Weltbild wäre durch eben die Quantenmechanik widerlegt, zeigt bestenfalls, dass Sie in dieser Hinsicht schlicht keine Ahnung haben, wovon Sie reden und die Tatsache, dass Ihr Buch zur Veröffentlichung akzeptiert wurde, bedeutet weiterhin, dass der Lektor des Verlags ebenfalls nicht den nötigen Sachverstand besaß.

Herr Pg,Wir reden aneinander vorbei.

Haben Sie denn mein Buch "Zwischen Himmel und Erde" überhaupt gelesen, das Sie meinen,so umfassend kritisieren zu dürfen, Kompetenz dazu zu haben? Meinen, sich "wissenschafglich" über die dort geäußerten Thesen ein Urteil, gar eine Gegenposition bilden zu können?

Wo bleibt denn Ihre "Wissenschaftlichkeit"... ? Über etwas, über etwas, das sie gar nicht kennen, zu schreiben!! Ist das mit Ihrer Physik auch so?


Sie können mein Buch "Zwischen Himmel und Erde" nicht gelesen haben, denn es ist erst seit wenigen Tagen lieferbar.


Ich werde einige wichtige Zitate hier veröffentlichen und zuerst in meinen Blog (http://schlesak.blog.com) stellen. Vor allem für die anderen Kommentatoren. Sie dürfen aber gerne Ihr Versäumnis auf diese Weise wenigstens einigermaßen aufholen!

Dieter Schlesak


p.s. Und übrigens, ich trete hier mit meinem guten Namern (Dr.h.c. Dieter Schlesak und meinem Werk, ca. 30 Büchern dazu www.dieterschlesak.de) ein, sie verstecken sich hinter einem pseudonym, woher soll ich wissen, wohzer Sie Ihre wissenschaftliche kompetenz nehmen dürfen?

http://community.zeit.de/user/dieterschlesak/beitrag/2010/02/26/obe-und-nahtoderfahrungen?page=2#comments


Meine Antwort auf diese „wissenschaftliche“ Meinung zu einem Buch, das der Schreiber unmöglich gelesen haben kann (denn es ist erst seit einigen Tagen lieferbar!) zeigt eine Haltung, die schärfste Kritik verdient, ja, jeder seriösen Diskussionsgrundlage den Boden entzieht! Nicht ihm also gilt mein Beitrag! Ich kann nur im Hinblick auf die so allein gelassenen anderen Kommentatoren mit aufklärenden Zitaten nun aus dem ganzen Buch und aus anderen Werken von mir zu einer Korrektur dieser Irritation beitragen, da ja nun auch meine Lektoren, auch die bei Rowohlt und die von der Münchner Uni angegriffen werden, mit Zitaten aus dem Buch und aus anderen Büchern von mir reagieren. Ich tue es unter dem Titel:



Ausgangspunkt bei unserer Diskussion, wo es um Grenzphänomene, aber auch um den „harten Kern unseres Wissens“ geht, muss sein, was am schönsten C. F. von Weizsäcker formuliert hat:: „Nüchternheit ist erforderlich. Selige Sehnsucht aber - das sollt ihr niemand sagen, nur den Weisen... Die Wissenschaft führt an die Schwelle einer Erfahrung, die sich der Meditation, aber nicht der Reflexion erschließt. Dies ist vernünftig. Das begriffliche Denken kann einsehen, dass es den Grund seiner Möglichkeit nicht begrifflich bezeichnen kann.“



(Zitiert in „Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod“, Bod 2010: http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=297277) und


https://www.libri.de/shop/action/productDetails/9591660/dieter_schlesak_zwischen_himmel_und_erde_3839139775.html)

Freitag, 26. Februar 2010

Securitate, neuigkeiten

Ich halte es für wichtig, meine neue Fassung des älteren Aufsatzes "Securitate", den ich jetzt bei Spiegel online veröffentlicht habe, auch wieder in meinen blog einzustellen, da es um einige neuigkeiten und um eine hetzjagd geht.

Vor allem aber da Mißverständnisse aufgetreten sind, als hätte ich meinen Standpunkt revidiert! Nein, dass ist nicht der Fall! Und kann nicht der Fall sein, da es um Tatsachen geht!
Und dieser Aufsatz wird auch in Matrix erscheinen, heute habe ich mit dem Verleger Traian Pop darüber gesprochen, der irrtümlicherweise diesen Essay in der neusten Ausgabe der Zeitschrift Matrix nicht veröffentlicht hat, weil dieser zeitweilig in meinem Blog nicht vorhanden war. ER hat mir heute zugesichert, dass er das Mißverständnis und seinen Fehler korrigieren und der Essay in der neuen Ausgabe der Zeitschrift erscheinen wird!
Der Aufsatz ist wichtig, um Geschichtsfälschungen zu vermeiden!

SECURITATE


„Der zu Verhörende wurde mit dem Kopf nach unten aufgehängt… Mit einer Sonderzange wurden ihm die Fingernägel ausgerissen … Seine Fußsohlen wurden mit einer Stichflamme versengt … die Hoden wurden mit einem dicken Bleistift oder einer dünnen Weidenrute so lange geschlagen, bis das Opfer unter fürchterlichen Schreien in Ohnmacht fiel, und in vielen Fällen verstarb. (Methode des Securitate-Folterers Franţ Ţandără, der auch nasse Sandsäckchen zu Schlägen auf Rückgrat und Nieren benützte. Sein Bekenntnis erschien am 21. März in der Zeitschrift „Singur“ in Bukarest) …Schreckensschreie oder Stöhnen von nahen Verwandten wurden dem Opfer zu Gehör gebracht… Schläge mit einem Prügel auf den Kopf des Opfers … Tritte mit dem Stiefelabsatz in den Mund, die Zähne des zu Verhörenden … Hetzen eines Wolfshundes auf das nackt an einem Pfahl festgebundene Opfer … Isolierung des Gefangenen über Wochen und Monate in engsten Zellen, wo er nur stehen konnte …“

Die Quellen sind inzwischen weitgehend zugänglich, vor allem durch den offiziellen „Raport Final“, eine Art Schwarzbuch des rumänischen GULAG, erschienen im Humanitas Verlag, Bukarest 2007 . Die Aufzählung der Foltermethoden stammt aus diesem Bericht. Der ehemalige politische Häftling Cezar Zugravu zählt in seinem Bericht „Die Foltermethoden der Securitate“ einundvierzig „Methoden“ auf.



Es wird neuerdings zum Thema Securitate viel Unsinn geschrieben, noch mehr angegeben; man kann sich der vielen selbstgerechten Moralisten, Widerständler, Dissidenten und tapferen Autoren der späteren, der sanften Tauwetter - und Ceauṣescu-Zeit kaum erwehren. Vergessen aber wird die Folter- und Schreckenszeit vor 1965 mit über zwei Millionen Opfern. Man muss dabei nicht auf die vielen Memoiren, etwa von N. Steinhardt, Lena Constante, auf das Buch über das furchtbare, jede Vorstellung überschreitende Folter-Experiment in den Zellen des Gefängnisses von Piteṣti in Südrumänien (im „Raport Final, S. 598-614), die Gefängnis-Romane von Paul Goma oder auf das Dokumentar-Buch über das Folterregime der stalinistischen Hölle, das 1959 auch fünf deutsche Schriftsteller (von Aichelburg, Bergel, Birkner, Scherg, Siegmund) traf, zurückgreifen. (Es ist deutsch 1993 im Verlag IKGS der Münchner Uni unter dem Titel: „Worte als Gefahr und Gefährdung“ erschienen). Wie sehr es dem Terror-Regime darum ging, jeden Glauben, jede Identität zu zerstören, die menschliche Würde mit Füßen zu treten, das Gewissen umzukehren, um ein negatives glaubensloses Hasssubjekt in seinen Zwangsdienst nehmen zu können, zeigt im unerträglichen Extrem die „Reeducare“ (Umschulung, Umerziehung) im Vernichtungsgefängnis Piteṣti: „Die delirierende Phantasie von Eugen Ţurcanu" – schreibt Virgil Ierunca, der das wohl wichtigste Buch zum „Phänomen Piteṣti“ 1991 in Bukarest veröffentlicht hat, „wurde vor allem dann entfesselt, wenn er es mit Studenten zu tun hatte, die an Gott glaubten und versuchten, ihren Glauben nicht zu widerrufen. So wurden diese jeden Morgen „getauft“, indem ihr Kopf in einen Kübel mit Fäkalien und Urin getaucht wurde, während die Umstehenden die Taufformeln psalmodieren mussten.“

Ein Blick in den außerordentlich akribisch und mit einer Überfülle an Dokumentar-Material belegten offiziellen „Raport Final“ über die rote Diktatur, wo auch diese Details ausführlich zitiert werden, genügt, um zu erkennen, wie relativ harmlos die siebziger und achtziger Jahre im Verhältnis zur stalinistischen Zeit der fünfziger und sechziger Jahre waren. Unter den vielen Folterberichten und Fällen aus dem rumänischen Gulag, gibt es im „Raport Final“ keinen einzigen aus der Ceauṣescu-Zeit. Das gleiche gilt für die Untersuchungen der in Europa am meisten anerkannten Aufarbeitungsstelle der roten Verbrechen in Rumänien, die Gedenkstätte Sighet (Memorial-Sighet), von der bekanntesten rumänischen Lyrikerin Ana Blandiana und ihrem Ehemann Romulus Rusan begründet, dessen erschütternder Bericht, „Chronologie und Geografie der kommunistischen Unterdrückung in Rumänien,“ Fundaţia Academia Civică, 2008, kürzlich auch auf Deutsch erschienen ist.

Ich habe diese Quellen, ohne die ein Verständnis der Securitate und ihrer Spitzel- und Folterwelt unmöglich ist, in keiner der inzwischen massenhaft erschienenen Artikel zum Nobelpreis 2009 an Herta Müller oder zum IM-Fall Werner Söllner gefunden. Auch nicht die beeindruckenden Augenzeugenberichte einer Zeitschrift des rumänischen Schriftstellerverbandes „Memoria“. Wichtig ist „Memoria“, vor allem Nr. 1/1990, weil sie Fakten aufklärt, die die Securitate-Verfolgung der Autoren in Rumänien betrifft; sie ist gleich nach dem Fall der Diktatur erschienen, sie zeichnet schlimmste Folterberichte auf, auch aus der Folterkammer „camera 4-spital“ Piteṣti, jener einmaligen Erfindung der Securitate, wo Häftlinge sich Tag und Nacht gegenseitig foltern mussten, einmalig in der ganzen Gulag-Geschichte.



In „Memoria“ wird auch der vielen Toten und Verschwundenen gedacht, sogar eine Suchliste wird veröffentlicht. Doch kein einziger Bericht oder Fakt stammt aus der Tauwetter-Zeit Ceauṣescus. Und die Aufarbeitungs-Moral heutzutage ist in den meisten Fällen nichts als ein Mäntelchen, das sich alle, auch jene, die keine Ahnung vom Stoff haben, umhängen. Und die sich ausschließlich mit der Ceauṣescu-Zeit beschäftigen, die im Verhältnis harmloser, dafür aber sehr viel bunter und „medien-gerechter“ ist.

Es gibt nur eine Ausnahme, die kurze Analyse des Literaturkritikers Gerhardt Csejka, der objektiv und präzise die ganze kommunistische Epoche ins Blickfeld rückt und nicht nur den harmloseren Tauwetter-Ausschnitt, dabei auch dem Rufmord-Opfer Werner Söllner gerecht wird. Csejka schreibt über die „Zäsur“, die das „Tauwetter“ der Ceauṣescu-Zeit ab 1965 charakterisiert… Nirgends sonst wird der Folterepoche der Stalinzeit vor Ceauṣescu und der wirklichen Opfer gedacht, jener in den Untersuchungs- und Foltergefängnissen Ermordeten, der in den Securitate-Kellern oder in den Lagern am „Kanal“ und im Donaudelta Umgekommenen.

Es gab freilich auch in der Ceauṣescu-Zeit Einzelfälle von Morden, doch beschränkte sich die Securitate auf diese, die massenhaften Verhaftungen, die oben beschriebenen Foltermethoden, und den physischen Genozid gab es nicht mehr, unter Ceauṣescu gab es wenige Prozesse; dazu gehört etwa der Prozess gegen Widerständler und ganze Gruppen und „Rädelsführer“ von Arbeiteraufständen, etwa in Kronstadt, oder gegen die freie Gewerkschaft SLOMR mit etwa 2000 Mitgliedern. All das war auch ein Resultat der größeren Freiheitsmöglichkeiten, undenkbar in der Gulag-Zeit. Es gab also nicht nur den Literatenwiderstand der „Aktionsgruppe Banat“ (der als Randerscheinung in den Quellen kaum, meist gar keine Erwähnung findet!), da sie nur im Alleingang wirkte und keinerlei Verbindung oder gar Solidarität mit den realen sozialen Aktionen zeigte. Was heute zu heftigen Reaktionen und sogar Angriffen, etwa des Bürgerrechtlers Paul Goma oder des SLOMR-Mitbegründers Carl Gibson gegen die Aktionsgruppe geführt hat. Beide Kontrahenten Goma und Gibson, saßen jahrelang im Gefängnis, Goma auch in der Gulag- und Folterzeit. Was man von den Banater Literaten nicht behaupten kann. Sie unterstützten diese Initiativen nicht, wussten vielleicht gar nicht von ihnen. Goma, der „rumänische Solschenizyn“ hat sie in einem Artikel auf seiner Webseite (Fragment de jurnal, 9 octombrie 2009) heftig attackiert, und spricht etwa der neuen Nobelpreisträgerin jeden Anspruch auf Dissidenz ab.

In der gegenwärtigen Pressekampagne geht es jedoch nicht um Todesfälle, sondern vor allem um eine späte „Dissidenz“ (Luxusdissidenz?)… die nun die ganze Aufmerksamkeit und das Medienecho allein auf sich lenkt.

Vor allem diese mutige und hochmoralische Leid- und Widerstandsgröße ist es, die weltweit Bewunderung erweckt, bei mir Bewunderung auch für das taktische Geschick und die Art, wie man aus Wenigem viel machen kann. All dieses verhilft dazu, dass man die Securitate neu auferstehen lassen kann, da sie ja als Werk- und Lebensthema weiter gebraucht wird. Vorzeigbare Täter sind willkommen. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die kriminellen Zuträger und Denunzianten aus der Folterzeit, die Menschenleben auf dem Gewissen haben.. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die wirklichen Täter, Folterknechte, deren Namen sogar bekannt sind, „Führungsoffiziere“, soweit noch am Leben, frei herumlaufen, ihre Pensionen als „Staatsbeamte“ genießen, während ihre durch Angstmethoden angeheuerten Opfer riskieren, dass ihre Karrieren und ihr Berufsleben zerstört wird; mit kräftiger Mithilfe der Nobelpreisträgerin, die ihre Machtworte wirklich anderswo besser nützen könnte! Was bisher ausgeblieben ist! Taschentuchreden helfen da kaum weiter. Uralte Täteropfer eines vergangenen Regimes aus Moralrache fertig zu machen noch weniger.



Gekürzt aus: Dieter Schlesak, „SECURITATE, Augenzeugenberichte, Dokumente und persönliche Erfahrun-gen“ in Vorbereitung als Parallelerscheinung zum Dokumentarroman „Capesius, der Auschwitzapotheker, 2006, 2.Aufl. 2009

OBE UND NAHTDERLEBNISSE

Alles nur Humbug? In den siebziger Jahren dachten viele so über diese Erlebnisse. Heute hat sich das gewandelt, diese Themen sind sehr aktuell geworden auch in den „seriösen“ Medien wie „Die Zeit“, „Der Spiegel“ und den großen Verlagen.
Im Buch von Bernhard Jakoby, einem Verehrer und Schüler von Elisabeth Kübler-Ross, „Auch du lebst ewig. Ergebnisse der mo-dernen Sterbeforschung“, bei Rowohlt, 3. Auflage 2004, wird über Nahtoderfahrung und dann über Reinkarnation berichtet. Kein Tabu mehr also. An der Uni Koblenz wurde eine Untersuchung von Prof. Hubert Knoblauch zum Thema durchgeführt; allein in Deutschland sind es etwa 3,5 Millionen Menschen, die Nahtoderfahrungen ge-macht haben.

Die meisten Sterbeforscher halten den Tod für „das Schönste. Was uns auf Erden passieren kann“. (Kübler-Ross). Wir dürfen wie-der „nach Hause“. Und genau im gleichen Tenor wird die Geburt als etwas Furchtbares empfunden. Und auch bei einer Nahtoderfahrung gibt es nur den Schrecken der widerwilligen Rückkehr, das Indenleib-gestossenwerden, in diese Enge und dies Gefängnis, wie es schon Platon sah.

Jedenfalls verändert diese Erfahrungen den Menschen grund-legend, eine Persönlichkeitsveränderung, die positiv ist.

Das, was ich mir etwa durch Literatur zu erarbeiten versuche, mir die Angst und die Fadheit angesichts der Banalität und des Todes zu nehmen, erhalten die Menschen mit Nahtoderlebnissen sozusa-gen „geschenkt“. Auch sie erkennen die enorme Schöpferkraft der Gedanken. Das Leben ist davon bestimmt, wir merken es aber nicht, meinen es sei „Schicksal“ etc. Im OBE aber sind wir frei, dann kommt es direkt auf uns zu, Gedanken werden unmittelbar wirklich. In der feinstofflichen Welt erschaffen wir sofort die nächste Sekunde, unsere Wirklichkeit. Es ist plötzlich ein Wiedererinnern an die Geborgenheit im Grossen Ganzen, also „Gott“? Das Eine? Erleben und Gedanken sind Eins. So kehren die meisten völlig verändert in den Alltag zurück.

Auch Blinde werden sehend, sehen ganz normal. Dass es kei-ne Halluzination oder Träume sind, weiß die Traumforschung, die er-kannt hat, dass Blindgeborene in Träumen keine visuellen Erfahrun-gen haben können.

OBE wurde in Laborversuchen erforscht, gilt durch die Unter-suchungen des Monroe-Institues und von Osis als erwiesen. Wikipe-dia und das Monroe-Institute halten eine Riesenmenge von Informati-onen dazu bereit.

Am überraschendsten ist jene Erfahrung des Urlichts, von dem auch Mystiker, Yogis, etwa Gopi Krishna, berichten..

Eines Morgens, Weihnachten 1937 saß Gopi Krishna, wie Carl Friedrich von Weizsäcker in einem seiner Bücher über ihn berichtet, wie gewöhnlich mit gekreuzten Beinen und meditierte, seine Auf-merksamkeit fest auf eine imaginäre Lotusblüte gerichtet, die in hel-lem Licht erstrahlte. Er fühlte plötzlich einen Strom flüssigen Lichts, tosend wie ein Wasserfall, durch Gehirn und Wirbelsäule einfließen, „ich fühlte wie der Punkt meines Bewusstseins, der ich selber war, immer größer und größer wurde und von Wellen des Lichts umgeben war. Immer weiter breitete es sich nach außen hin aus... Ich war jetzt reines Bewusstsein , ohne Körperlichkeit, in ein Meer von Licht ge-taucht...“, so Gopi Krishna im gemeinsamen Buch mit C.F. von Weiz-säcker.

Ich erinnere mich immer wieder an eine Schwedin, Ruth Da-lehn, die aus einer Tanne Lichtsäulen hatte schießen sehen, die jene Wirklichkeit hatte plötzlich erkennen können, von der wir wie durch einen Schleier getrennt sind: Kreise, fünf Kreise sah sie, wie Schalen eines Atoms, der innerste aber war so etwas wie Liebe. „Alles ver-wandelte sich in blendendes Licht. Bald war die ganze Tanne eine einzige Feuersäule.“ Sekundenlang durchfuhr sie, wie sie bekannte: „ein lähmender Schrecken - war mein Gehirn irgendwie in Unordnung geraten? Bald war der ganze Wald ein Meer aus dem gleichen le-bendigen Licht... auch meine Hände,“ erzählte sie: „Die ganze Schöpfung vibrierte von diesen unerhört schnellen Lichtwellen... Ich sah den Kosmos funktionieren wie eine fünfdimensionale Geomet-rie...das innerste Mysterium des Universums, Liebe... Das ist ein schwacher Versuch, Worte für etwas zu finden, das ich wirklich mit meinen Augen sah, etwas absolut Reales und Greifbares... Mehr und mehr wurde ich zu Licht, bis ich mich selbst als Strahlungsphänomen funktionieren sah, auf derselben Wellenlänge vibrierend wie die `fünf-te Dimension`.“

Im Nahtoderlebnis soll es, wie der amerikanische Arzt und Forscher Kenneth Ring in seinem Buch „Im Angesicht des Lichts“ be-schreibt, eine Reise zu jener Quelle geben, woher wir kommen, wo-hin wir gehen, dem Urlicht. Einer seiner Patienten, die er befragt hat-te, Mellen-Thomas-Benedict, hat angeblich sogar Gespräche mit diesem Urlicht geführt.

Nun gut, eines ist sicher wahr: Der uns bekannte dichteste Ort des Alls ist der menschliche Kopf, Spiegel des „Schöpfers“?

Bei den Hebräern gibt es den sogenannten Urraum (Zimzum), der „achte Tag“, jenseits von Zeit und Geschichte.





SO VERSCHIEDEN KANN DER TOD IN UNS SEIN



Die meisten alten Religionen, auch die der Ägypter, glaubten nicht, dass der Mensch allein auf sich gestellt, die Erlösung schafft. Sie gaben sogar auf, mumifizierten, weil sie meinten, das materielle Verlangen nach der Rückkehr sei so groß, dass man es nicht über-winden könne, wenn die Seele zurück will. Die Griechen glaubten an ein trostloses Schattendasein und ewige Sehnsucht nach dem Erden Leben.

Dabei gibt es Todesvisionen einige Stunden oder Tage vor dem Tod, die das Schönste des bisher Erlebten sein sollen. Auch Begeg-nungen finden angeblich statt mit unseren Lieben und mit Engeln, mit. Lichtphänomenen, Musik. Oft gibt es anscheinend Verzückungserscheinungen bei Sterbenden. Die New Yorker Forscher Carlos Osis und Erlendur Haraldson haben über tausend Fälle interkultureller Er-fahrungen untersucht. War denn der Tod ein Helfer dir und Freund? / Die meisten reden lieber übers Wetter. / Und jetzt? Der Tod ist nicht diskret / und wettermäßig umgebogen / Als wär ein blauer Himmel al-les / der doch schwarz ist / Sonne trügt! / Jetzt kommt sie: scho-nungslos die Offenheit / ich bin jetzt nicht mehr Ich, ich bin der Ande-re.

Im „Tibetanischen Totenbuch“ wird der Zwischenzustand zwi-schen den Wiedergeburten auch als „Bardo“ bezeichnet. Es ist ein körperloser Zustand der Glückseligkeit und Freiheit. Das behauptet auch der kanadische Psychiater Dr. Joel Whitton. . Er nennt es „Ü-berbewusstsein“ und hat mit Versuchspersonen in der Hypnose ge-arbeitet. Mit verblüffenden Parallelen zum Nahtoderlebnis. Dabei wird von einem Zeitraum zwischen 10 Monaten und 800 Jahren gespro-chen.





Wichtig erscheint mir auch die Erfahrung des Berner Biologie-lehrers und Privatforschers Werner Zufluth, er stand im Briefwechsel und Erfahrungsaustausch mit Michael Ende und hat im Internet viele seiner Forschungen veröffentlicht. Zu OBE hat er etwa entdeckt, dass nämlich die Märchen eine Reihe von OBE-Erfahrungen beschreiben. Es lohnt sich, seine Charakterisierung zu lesen. Sie trifft auch auf meine Erfahrungen zu:

„Außerkörperlichkeit Charakterisierung

Außerkörperlichkeit meint einen Seinszustand, in dem das Ich das durch nichts zu erschütternde Gefühl und die Gewissheit hat, außerhalb des eigenen physischen Leibes zu sein. Dabei fühlt es sich in bezug auf seine Identität genau gleich wie innerhalb des physi-schen Körpers. - Das Ich bleibt also außerkörperlich als eine sich selbstbewusste Einheit kontinuierlich bestehen und verfügt über die normale Stabilität und Koordination - und über alle emotionalen und kognitiven Funktionen. Normalerweise bildet das Ich auch im au-ßerkörperlichen Zustand mit einem Körper, einem sogenannten Zweitkörper, der die unterschiedlichsten Bezeichnungen hat, eine Einheit. Dieser Zweitkörper hat jedoch andere Eigenschaften als der physisch-materielle Leib. Auch das Wahrnehmungsvermögen und andere kognitive Funktionen weichen unter Umständen stark vom in-nerkörperlichen Zustand ab. - Im außerkörperlichen Zustand ist das Ich als kontinuierliche Größe vorhanden und bleibt als jenes kontinu-ierliche Bewusstheits-Zentrum, das seit den Tagen der Kindheit exis-tiert, bestehen. Wegen des voll intakten Erinnerungsvermögens muß es von einem Traum-Ich, das keine Erinnerung an einen anderen Körperzustand hat, unterschieden werden.

Paul Tholey hat die Erfahrungsdimension "Außerkörperlich-keit" - wie er mir geschrieben hat - von der theoretischen Seite (Ges-talttheorie (Köhler)) her erschlossen. Hierzu vgl. z.B. Paul Tholey. Ich selber hingegen komme von der praktischen Seite her, d.h. von der spontan geschehenden Erfahrung. Tholey nennt den 'luziden Traum' Klartraum und hat einige kritische und bedenkenswerte Punkte in die Diskussion einzubringen. Mir geht es vor allem um die praktische Seite, bei der die Anpassung des Verhaltens an eine rela-tiv ungewohnte Erfahrungssituation im Mittelpunkt steht. Ferner frage ich mich, welcher Wandel in den theoretischen Denkmustern der Weltanschauung stattfinden muß, damit die Erfahrung des Klartraums und der Außerkörperlichkeit geschehen und andauern kann. Wahr-scheinlich gibt es zwischen Tholey's und meiner Auffassung viele Übereinstimmungen in praktischer Hinsicht, aber mindestens ebenso viele Divergenzen in theoretischer. Es scheint mir letzten Endes, dass eine Theorie zwar den Vorteil hat, gewisse Dinge erklären zu können. Aber eine Theorie beruht ihrerseits wieder auf Axiomen - dies lässt sich nie umgehen. Und diese können nicht hinterfragt werden, so dass immer ein nicht erklärbarer 'Rest' an der praktischen Verhal-tensweise hängen bleibt, und es von ihr abhängt, ob die Bewusstheit weiter besteht oder nicht.

Außerkörperlichkeit – Fähigkeiten

Im außerkörperlichen Zustand verfügt das Ich über Fähigkeiten, von denen vor allem die Märchen zu berichten wissen. In "Die sechs Die-ner" (einem Grimmschen Märchen) ist eine ganze Sammlung solcher Eigenschaften zusammengestellt, zu denen z.B. noch die Unsicht-barkeit mittels Tarnmantel und -kappe oder mit Hilfe eines Wunsch-ringes zu zählen wäre. Ferner kennen die Märchen verschiedene Ar-ten der hüpfenden und fliegenden Fortbewegung z.B. mittels Sie-benmeilenstiefeln, Teppichen und Tieren - und sogar den blitzartigen Orts- und Ebenenwechsel. Märchen sind also eine Fundgrube für al-le Belange, die mit der Außerkörperlichkeit in Verbindung stehen, und ganz besonders dafür geeignet, dem Ich Verhaltensweisen aufzuzei-gen, die in der außerkörperlichen Seinswirklichkeit von ausschlagge-bender Bedeutung sind.“

Gibt es aber wissenschaftliche Erklärungen für dieses seltsame Phänomen der OBE, die ja in der Nah-Todesforschung (NTE) wie-derkehrt?

Dazu las ich jetzt ein älteres, aber sehr informatives Buch von Van Eersel: „Sterben. Der Weg in ein neues Leben“, 1986 bei Gras-set in Paris erschienen.

Van Eersel beginnt mit einem alten Spiegelartikel von 1986 zur Todesforschung, Titel: „Mit einem Fuß im Jenseits“, wo Liz Taylor, Charles Aznavour und Ronald Siegel, ein amerikanischer Forscher zu Wort kommen. Natürlich brachte „Der Spiegel“ diese Geschichte nur, um die Todesforschung zu widerlegen, denn endlich hatte Siegel, ei-ne Erklärung für OBE gefunden. Um die Seriosität zu wahren, wurden im „Spiegel“ Beispiele auch von anderen Op- oder Unfallopfern ge-bracht, so von Professor Blanchot (Toulon), der aus dem Körper „schlüpfte“ „wie aus einem Overall.“ Und schlimm war da die Rück-kehr, weil der Körperoverall schwer, schmerzhaft und einige Num-mern zu klein gewesen war. Zu klein, wofür, für die Seele? Siegel al-so, übrigens Drogenexperte, erklärte OBE und auch deren Grundvor-aussetzungen auf diese simple Weise: Das Gehirn habe einige hun-dert Milliarden Neuronen, die durch tausend Stege miteinander ver-bunden sind, dass der elektrische Fluss in den Zellen durch chemi-sche Boten (Elektrizität übersetzt ins Chemische) hergestellt werde, das geschehe aber nicht über eine Brücke, sondern durch Spalten, einen Abgrund also, winzig, diese Synapsen genannten Spalten, die Boten aber werden Neurotransmitter genannt. Chemische Boten, die unsere Erinnerung, unseren Zustand, Lust, Lachen, Trauer etc. er-zeugen. Ganz schön einfach also. Rauschdrogen wirken auf die glei-che Weise, das „Gehirn“ sei also „der größte Dealer aller Zeiten“( S.9). Wichtigste dieser Drogen (es sind enorm viele) sei das Seroto-nin, wehe ein millionstel Gramm zu viel oder zu wenig und Wut an-statt Freude entsteht. So lässt sich die OBE, die gute Schamanenrei-se, ja, die Liebe, das Glücksgefühl beim Tod wunderbar erklären; es seien Endorphine, die das vermögen. Die Natur sei gnädig, vor allem am Ende unserer Tage!

Van Eersel war begeistert, der Tod also begleitet von schönen Täuschungen? Er fuhr im Auftrag der Zeitschrift, wo er arbeitete nach Los Angeles zu Dr. Siegel.

Doch die Begegnung war äußerst enttäuschend. Siegel bot nichts als Theorien und Vermutungen. Siegel hatte einen einzigen klinisch Toten befragt, keine Daten, keine Diagramme, Statistiken, nur Analogien. Enttäuscht wandte sich Van Eersel von diesem Pro-fessor und „Drogenexperten“ ab. Und auch der Artikel fiel ins Wasser, Van Eersel konnte Siegels „Entdeckung“ mit nichts belegen. Und er-kennte, dass der Professor nichts als ein Eiferer auf einem Kreuzzug gegen Mystizismus, LSD, Obskurantismus und Nahtoderlebnis war. Und nur ein Weltbild verteidigte, ein Ideologe, kein Wissenschaftler war. Und Van Eeersel fand auch heraus, dass die Pharmaindustrien aus Geschäftsinteresse kräftig die Hypothese mit den Neurotransmit-tern und den Endorphinen unterstützten, alles nichts als Chemie! Siegel war womöglich von ihnen gekauft. Der aber nannte Van Eersel einige der gefährlichen Kontrahenten und „Pseudowissenschaftler“, deren „schädlicher Unsinn“ zu bekämpfen sei!

Van Eersel besuchte diese gefährlichen Leute. Als erste Elisa-beth Kübler-Ross, Psychiatrin und Sterbehilfeexpertin, die eine große Gemeinde hatte, viele Vorträge und Seminarien abhielt. Das Interes-se war ungeheuer. Ihre Workshops hießen „Leben, Tod und Über-gang“. Doch ein Treffen kam nicht gleich zustande. So fand er zuerst zu Kenneth Ring, auch er Psychologieprofessor in Neuengland. Van Eersel besucht ihn und die Organisation IANDS. Ring sprach gleich von Karlis Osis und Erlendur Haraldson, die die ersten wissenschaft-lichen. Daten zu OBE gesammelt hatten, es waren Erkenntnisse aus Indien sowie Krankenhausberichte.



Ich hatte diese thanatologischen Erlebnisse schon von Anfang an verfolgt, mir die Bücher des amerikanischen Arztes Raymond Moody gekauft, auch die von Elisabeth Kübler-Ross, und dann Karlis Osis und Erlendur Haraldson in New York besucht. Sie erinnerten mich daran, dass schon 1926 der Klassiker von Barrett, „Deathbed Visions“ erschienen war. 1977 veröffentlichten Osis und Haraldsson „At the Hour of Death,“ eine Studie von etwa tausend Sterbevisionen, die in den USA und in Indien gesammelt worden waren. In diesem Buch sind auch zwei Kapitel enthalten, die sich mit den Berichten von Patienten, die reanimiert worden waren, befassen. Und zu diesen frühen Erforschern von NTE (Nahtoderlebnissen) gehört auch Eckart Wiesenhütter:

Moodys Buch „Life after Life“ liegen circa 150 Fälle zugrunde, die er in den späten Sechzigern/ siebziger Jahren gesammelt hatte. Als ein besonderes Merkmal dieser Erlebnisse wird genannt, dass sie nicht in der Form von Träumen, sondern als sehr lebensechte Erfah-rungen empfunden werden. Moody nennt fünfzehn Elemente, die in den Berichten häufig auftauchen und verbindet sie zu einem erzähle-rischen Modell einer typischen Nahtoderfahrung.



Auch Rings Organisation untersuchte keine chemischen For-meln, sondern Augenzeugenberichte.

Ring sagte Van Eersel, dass 99% der Leute mit Nahtoderfahrungen aus Angst, für verrückt gehalten zu werden, geschwie-gen hätten. Jetzt nimmt man sie ernst, also erzählen sie.

Zweitens: Die Reanimationstechniken waren noch nie so gut, so gibt es enorm viele Nahtod-Überlebende. Und es sollen etwa die Hälfte von ihnen über Nahtoderlebnisse berichten können. In Deutschland sollen es etwa acht Millionen sein.

Ring spricht von fünf Stadien der Nahtoderlebnisse: In einem fremden Raum schweben, schönster Augenblick ihres Lebens. Das zweite Stadium erfahren nur 37%. Sie nehmen ihren Körper aus der Ferne wahr, und sehen sich Ärzte und Krankenschwestern an, die mit dem „Leichnam“ des Unfallopfers beschäftigt sind. Drittes Stadium: Tunnelerfahrungen: Angezogen von einer Leere. Intensive Dunkel-heit. Extreme Geschwindigkeit: 23%. Viertes Stadium, 16%: Unge-heuer warmes Licht, weiß, golden. Aber unbeschreiblich hell und weich. Strahlen der Liebe.

Auch der Psychiater und NTE-Forscher R. Noyes war anfangs ein Skeptiker, er meinte, es entgingen angeblich die Betroffenen dem Todes-Schmerz, indem sie aus ihrem Körper flüchten. Und er griff die OBE-Forscher an. Dann wurde er durch Erzählungen der Opfer be-kehrt. Zuerst nennt er NTE „postakzidentelles Delirium“. Und weiter „Depersonalisierung“ oder Verdoppelung. Aber schließlich untersucht er mit seinen Studenten 200 Fälle. Und beschreibt sie in drei „Haupt-faktoren“ und 26 „Variablen“. Das alles wissenschaftlich genau in Prozenten und mit Statistiken:

1. Depersonalisierung mit elf Variablen: Keine Emotionen mehr. Das Bewusstsein vom Körper getrennt. Eine Mauer zwischen Ich und der Welt. Veränderte Zeitwahrnehmung. 2. Überwacher Zustand. Denken ungewöhnlich schnell. Geräusche, Farben., Formen schärfer und deutlicher. Reflexe von unvorstellbarer Schnelligkeit. 3. Der „mystische Faktor“. 9 Variablen. Wiederfinden eines ängstevergesse-nen vertrauten Zustandes. Panoramaschau des bisherigen Lebens. Voller Freude. Und der Eindruck einer Offenbarung.

„Und plötzlich habe ich das Gefühl, diese Momente, wie auch Momente der Wiedergeburt, Erinnerung an ein anderes Leben gehabt zu haben. Habe in jüngeren Jahren und als Kind diese Berührun-gen,. doch die Erinnerungen sind fahl, eher gar nicht da:“

Und der Psychiater Noyes entdeckt, dass eine ganze Reihe von Psychiatern mit dem Thema beschäftigt sind. Und dass schon eine ganze Literatur bis ins 19. Jahrhundert dazu vorhanden ist.

Zurück zu Ring, der die ägyptischen und griechischen Myste-rien zur NTE in Beziehung setzt, sie beschreibt, genau deren Pro-zess nachvollzieht. Erinnerung an schon vor Jahrtausenden Vorgefal-lenes. Ring versucht herauszubekommen, was Erinnerung ist. Er fin-det: Ihr Sitz ist nicht im Gehirn. Weder im Hypokampus noch im limbi-schen System, wie Penfield bis Ungar annahmen. Ring stößt auf Pribram und Denis Gabor, der das Hologramm entdeckte. Es geht al-so auch ohne Linse (die ja bisher alles veränderte seit der Renais-sance, Fernrohre, Foto etc.) Nur ein gegabelter Laserstrahl ist heute noch nötig. So kommt man noch viel näher ans Objekt, als mit der Linse? Keine Einstellung, Perspektive, Brennpunkt, Blende sind nötig, es geht „hautnah“ zu. Sind wir es selbst, die „zählen“? Das Nachin-nengehen, wie das Problem mit dem Beobachter in der Quantentheo-rie, der alles im Experiment verändert? Anstatt einer nur äußeren Perspektive? Lässt sich das Gedächtnis, so das dahinter sitzende Bewusstsein jetzt näher erkennen? Karl H. Pribram, US-Psychiatrieprofessor und Kognitionsforscher, meint: Unser Gedächt-nis funktioniere wie ein Hologramm. Und schon in den Sechzigern entdeckte der australische Forscher und Nobelpreisträger John C. Eccles winzige elektrische Ladungen im Innern der Neuronen auf der Höhe der Synapsen, mit ihnen interferieren die Wellengrenzen. Mit seiner Entdeckung der Reizweiterleitung von Nervenzellen trug er entscheidend dazu bei, die Vorgänge im menschlichen Gehirn aufzu-klären. Doch eben nicht im Sinne des heutigen materialistischen Hirn-totalitarismus der neuen Neurologie!

Der junge deutsche Forscher Lothar Ahrendes behauptet (mit vielen berühmten Kollegen, von Heisenberg, Planck bis Weizsäcker) zu Recht, dass das klassische Weltbild, an das noch fast alle Natur-wissenschaftler klammheimlich und mit aller Maßgabe der Wieder-holbarkeit und eines Beobachtbarkeitzwanges heute noch glauben, gefallen sei, eine andere, neue Physik die Welt bestimme, und doch sei noch lange nicht klar und bestimmbar, was Bewusstsein, was vita-le Prozesse, was das rätselhafte Gehirn in Wirklichkeit seien. Wobei so getan würde, als wüssten wir es, und so ein Überleben des Todes auszuschließen sei, weil angeblich noch nicht nachzuweisen ist, dass Geist, Seele, Denken, ja, Bioenergie etc. ohne Körper möglich seien. Nur die Grenzwissenschaften tun es, und haben zumindest Indizien in der Hand. Und diesen interdisziplinären Wissenschaften wird die Zukunft gehören, weil eben, wie Weizsäcker einmal formulierte, die Welt „Geist ist, die nicht als Geist erscheint“.

Auf diesen jüngeren Forscher, Lothar Arendes, der interdiszipli-när das Überleben des Todes untersucht und in biophysikalischer Chemie, Abt. Neurobiologie, promoviert hat, sich aber mit „wissen-schaftlicher Philosophie beschäftigt“ muss noch hingewiesen wer-den. Er hat eine Synthese nicht nur der NTE-Forschung, sondern auch von Sterbebettvisionen, OBE, Erscheinungen etc. erarbeitet (Oktober 2007), die einen guten Pro-und-Kontra-Überblick zum The-ma „Gibt es ein Überleben des Todes?“ ermöglicht. Vor allem geht er davon aus, dass bis zur Aufklärung eigentlich generell an ein Le-ben nach dem Tode geglaubt wurde. Dann kamen die als „Wissen-schaftler“ verkleideten Materialisten und behaupteten, dass dies un-möglich und „unwissenschaftlich“ sei. Was heute einer Dummheit gleichkommt. Arendes: „In der heutigen Naturwissenschaft gibt es weder eine befriedigende Theorie der biologischen Dynamik (anders formuliert, keine Theorie des Lebens) noch eine Bewusstseinstheorie, und trotzdem sind die meisten Naturwissenschaftler der festen Über-zeugung, dass der Mensch mit dem körperlichen Tod vollständig auf-höre zu existieren. Worauf beruht dieser Glaube? Der Glaube an den völligen Tod hat hauptsächlich zwei Gründe. Einerseits glauben man-che Naturwissenschaftler immer noch an das klassische physikali-sche Weltbild (was ihnen anscheinend oftmals gar nicht bewusst ist), wonach die Welt lediglich eine Zusammensetzung aus kleinsten Teil-chen und den zwischen ihnen wirkenden Kräften ist, andererseits konzentrieren sich Naturwissenschaftler aus methodologischen Gründen auf beobachtbare Dinge. Hätte das klassische wissenschaft-liche Weltbild Recht, so wäre der Mensch selbstverständlich tot, so-bald seine Materiekonstellation zerfallen ist. Aber wie kaum noch bestritten werden kann, hat spätestens die QM (Quantenmechanik) das klassische Weltbild widerlegt, und heute gibt es kein Weltbild, dass von allen Wissenschaftlern geteilt wird, so dass es derzeit keine alle überzeugenden weltanschaulichen Argumente gegen ein Leben nach dem körperlichen Tod geben kann.“



(Aus Dieter Schlesak, Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod. Bod Verlag, 2010. Bestellbar in jeder Buchhandlung. Mehr Infos: http://schlesak.blogspot.com und www.schlesak.de)

Donnerstag, 25. Februar 2010

Interview zum Thema Parapsychologie

INTERVIEW ZUM THEMA "PARAPSYCHOLOGIE"







a. Zunächst eine generell einführende Frage: Es gibt ja einen Unterschied zwischen quantitativer und qualitativer Parapsychologie.






Ja, es gibt die „qualitative“ Parapsychologie, die sich mit den drei nicht „wiederholbaren“ Phänomenen: Telepathie, Hellsehen, Psychokinese befasst, das ist sozusagen die traditionelle Parapsychologie, und dann gibt es die neuere Richtung, die der Wissenschaftsforderung einer Nachweisbarkeit und Wiederholbarkeit nachläuft, einer sogenannten „Anerkennungsneurose“ nachgibt, und sich vor allem auf die Statistik beruft, höchst langweilig ist, und sich kaum noch mit den drei traditionellen Themen befasst.






b. Damit wären wir auch bereits beim Thema angelangt: die Parapsychologie beschäftigt sich mit übernatürlichen oder vielleicht besser gesagt: übersinnlichen Phänomenen. Hierfür suchen die Parapsychologen nach objektiven Methoden, die am Rande der Wahrnehmbarkeit auftretenden Erscheinungen zu fassen. So wie ich Sie verstehe, hängt für Sie diese Naturwissenschaft immer auch mit dem Tod zusammen. Bildet die Parapsychologie möglicherweise einen Nebenzweig der Religionswissenschaften?






„Übernatürlich“ würde ich nur in Anführung setzen; es gibt nichts Übernatürliches, es gibt nur Dinge, die „eingeordnet“ werden können von unserem Erkenntnissystem und solche, bei denen das nicht der Fall ist, die unsere heutige Erkenntnisgrenze überschreiten, und trotzdem als Fakt existiert und das, was sein „darf“ überschreitet, immer überschritten hat. Das heißt aber nicht, dass dieses nicht „natürlich“ ist, sondern nur, dass es unsere Erkenntnismöglichkeit und Erklärbarkeit überschreitet!


Freilich hängt diese Psi-„Naturwissenschaft“ auch mit dem Tod als absolute Grenze zusammen. Jedenfalls mehr als jede andere Disziplin, weil es sich wie beim Tod um ein „Grenzphänomen“ handelt. Doch durchaus nicht mit einem „Jenseits“, sondern nur mit dem Jenseits unseres Wissens, oft auch unserer gewohnten Vorstellungen. Wobei das auch eine „kulturbedingte Blickbeschränkung“ ist, wie es C. F. von Weizsäcker ausdrückte. Sie ist aber damit nicht unbedingt eine Nebendisziplin der Religion. Denn sie hängt nicht mit der Vorstellung von einem höheren Wesen und einem Jenseits des Todes zusammen. Ist allerdings eine Brücke zwischen nicht Erfassbarem durch die traditionelle Wissenschaft und dem, was oft „Wunder“ genannt wurde, Wunder freilich, die etwas bezeichnen, was nur in einem gegebenen historischen Zeitpunkt als „unglaublich“ angesehen wird. Nehmen wir etwa das Fliegen. Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass gerade die Wissenschaft heute, vor allem die Quantenphysik, die heute das traditionelle Weltbild, wo Zeit, Raum und Logik als Grundlagen des Weltbildes galten, auflöst. Diese gelten schon bei unseren „elektronischen Haustieren“ nicht mehr. Die die Körperwelt langsam auflösen. Und vergessen wir nicht, schon die Quantentheorie, laut Popper, zeigt, dass es ein neues Denk-Paradigma gibt, das Einsteinsche, in dem wir schon leben, das aber wohl auch von einem neuen abgelöst werden muss. Als nächstes wäre die Auflösung der wichtigsten Naturkonstante, der Lichtgeschwindigkeit zu erwarten, das aber hieße, dass sich die körperliche Welt auflöst, die bei Überlichtgeschwindigkeiten nicht mehr da ist, sondern zu Licht wird.






c. Die Parapsychologie befindet sich trotz der charismatischen Gestalt des Herrn Prof. Bender, der inzwischen verstorben ist, immer noch am Rande der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Schon das Präfix weist darauf hin, dass es sich hier lediglich um eine "halbe Sache" handelt. Ist aus diesem Grund die Parapsychologie stets um eine öffentliche Anerkennung, d.h. wissenschaftlich solide Arbeit bemüht? Steht das Forschungsobjekt, das bei parapsychologischer Forschung im Mittelpunkt steht, nicht dieser breiten Akzeptanz entgegen?






Ja, das führte auch zur Anerkennungsneurose. Und auch zur statistischen Parapsychologie. Doch die Phänomene, die sie untersucht sind so alt wie die Menschheit. Und eigentlich durch Tradition überliefert und durch ungeheure Massen an Erfahrungsberichten „gesichert.


Das ist das Dilemma und die „Schizophrenie“ der Parapsychologie. Aber letztlich auch die unseres ausklammernden Weltbildes, das sich aufspielt, als wüsste es „alles“.. Und auf „unwissenschaftliche“ Art Dinge ausklammert, die da nicht hineinpassen ins historische Erkenntnismodell heute. Nichts darf ausgeklammert werden, alles muss untersucht werden, das wäre die Basisforderung jeder Wissenschaft, Doch enorme materielle Interessen der Pharmaindustrie, des Kapitalsystems etc, schaffen jene „ontologische Zensur“, die alles beiseiteschiebt, was dem „System“ schädlich ist. Man stelle sich nur vor, wenn es ein Überleben des Todes gäbe, wäre doch jede „Arbeitsmoral“, vor allem aber jede Raffgier und jede Konsumgier hinfällig, da wir uns weder beeilen müssten, noch Besitz haben müssen.






d. Die Biographien von medial empfänglichen Menschen lesen sich oft an vielen Stellen tragisch. Wenn ich Ihr Engagement für die Sache recht verstehe, setzen Sie sich nicht nur für eine Anerkennung der "Grenzwissenschaft", sondern auch für die betroffenen Menschen ein.






Ja, so ist es. Und das gipfelt in meiner Beschäftigung mit Psychiatrie und Kunstpsychiatrie.


Ich habe bei Rowohlt 1975 ein Buch darüber herausgegeben. Und viele Aufsätze, auch in Italien, veröffentlicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Psychiatrie eine Art Seelenpolizei ist, die „ontologische Zensur“ überwacht, und dass viele Patienten nicht verrückt“ sind, sondern dass bei ihnen ein „Durchbruch“ in jene Zone stattgefunden hat, die die Grenzwissenschaft untersucht. Nur – sie können es nicht kontrollieren, es „überschwemmt“ sie und es schwächt ihr Abwehrsystem und verhindert ein Mitmachen im sozialen Anpassungssystem.






e. In der Kunst und Literatur wurde eine - sagen wir mal - "feinsinnliche" Sensibilität schon immer gepflegt, man denke nur an die Romantiker, aber auch Rilke. Sie führen diese Gewährspersonen auch an. Andererseits zitieren Sie in Ihrem neuesten Buch zum Thema - Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod? - parapsychologische Fachliteratur. Wo genau sehen Sie die effizienteste Methode, diesen Phänomenen epistemologisch näher zu kommen?






Nun, Künstler haben immer einen offneren Zugang zu diesen Phänomenen gehabt. Und sie für absolut natürlich gehalten. Wie viele auch vom „Volk“ zwar mit Erschauern und Gruseln, aber doch mit einem Sinn für wahre Wahrnehmung akzeptiert und für akzeptierbar, wenn auch nicht in unsere Welt gehörend, betrachtet wird. Ganz anders als das von sturen „Aufklärichten „ gesehen wird, deren Verdrängungswut eher peinlich wirkt, vor allem aber durch Angst vor diesen Dingen, die sie ablehnen, diktiert wird.


Rilke ist ein sehr gutes Beispiel für die Akzeptanz durch Künstler, aber immer beruhend auf eigenen „verrückten“ Erlebnissen. Es gibt viele andere Fälle, Novalis, aber auch Mörike, von Goethe oder Hölderlin ganz zu schweigen. Oder Kant, der „Vater der Aufklärung“, der ähnlich wie Goethe zum Wissen, den Erfahrungen des Hellsehers Swedenborg eine enge und befruchtende Beziehung hatte. Weder der „Faust“, noch die „Kritik der Urteilskraft“ wären ohne Swedenborg möglich gewesen..


Das aber sowohl die Germanistik als auch die Philosophiegeschichte total verschweigt. Darüber gibt es in meinem neuesten Buch „Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod“, das eben bei Bod erschienen ist, und auch als e-book bei allen online-Buchhandlungen abrufbar ist, viel Material. Ebenso zu all den hier von uns diskutierten Dingen Überhaupt geht die gängige Kulturgeschichte mit vielen Fälschungen und vor allem vielen Verdrängungen und Ausklammerungen um, die all „dies“ hemmungslos zensuriert und ausklammert. Meiner Meinung nach, wäre eine scheuklappenlose Kulturgeschichte längst fällig, doch niemand wagt sich daran.






f. Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine ganz persönliche Frage: Welches paranormale Erlebnis hat Sie am meisten geprägt?






Das ist eigentlich ganz einfach. Die Kindheitserlebnisse mit unerklärlichen Erscheinungen, Angsterscheinungen, und dann die Erlebnis mit Totenstimmen auf Tonband, die nicht einfach löschbar und wegwischbar sind, sie sind sogar jederzeit abhörbar, also wiederholbar und DA. ZU Hunderttausenden in der ganzen Welt. Ebenso haben mich Nahtoderlebnisse geprägt, vor allem nach einer schweren Krebsoperation, Überlebenserfahrungen, auch den tiefsten Liebeserlebnissen meines Lebens, die damit zusammenhängen.






Interview zur Veröffentlichung im GÖTTERBOTEN, einem vierteljährlich erscheinenden Rundbrief einer Arbeitsgruppe zu Okkultismen in Kunst und Wissenschaft. Belegexemplar geht Ihnen nach Druck zu.


































LESEPROBE: Zwischen Himmel und Erde. Gibt es ein Leben nach dem Tod

Dieter Schlesak






ZWISCHEN HIMMEL

UND ERDE





Gibt es ein Leben nach dem Tod?

















INHALT



Einleitung Die ernsteste Frage der Welt…… 9



ERSTER TEIL. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt.



Gibt es ein Leben nach dem Tod? Der Philosoph Immanuel Kant und der Hellseher Emanuel Swedenborg ………… 15



Talkshow mit Tabuthemen und Totenstimmen 42



Das Unheimliche als das Heimische. Unglaubliches geschieht. Zur Geschichte und Erforschung des Übersinnlichen ……. ……………………. 43



Die Geister sind nicht fassbar. Das Rätsel entzieht sich uns. Zum Problem der „Elusivität“…………………………………………….. 67



Intermezzo. Die unzerschnittenen Dinge müssen aus ihrem Namen fallen ……………………. . 78



Die Zweite Aufklärung. Das Scheitern der Postmoderne und des Fortschrittsgedankens. Ein neues Paradigma, Ausgang an der Grenze unseres Wissens.......................................…….82



Liebe ist Leben für immer. Über die unheimliche Kommunikation zwischen Diesseits und Jenseits in der Literatur und Parapsychologie................90





ZWEITER TEIL. Nachtgedanken



Traumkunst, Patientenkunst, Patientenerfahrungen und Nahtoderlebnisse. Geisterfallen. Versuche im Unmöglichen. Parapsychologische Experimente und Kongresse ..............................114



So verschieden kann der Tod in uns sein…121



Nahtoderlebnisse II. Reisen ……………… 123



Seelenflug, ein Märchen oder eine Ahnung von Heimkehr: „Out of the body experiences“ (OBE). Der Doppelgänger. Das Tabu der Letzten Wirklichkeit. Mut zur Letzten Wirklichkeit und zum Selbst-Sein. Verdrängungen, Literatur- und Gesellschaftsllügen………………………….…128



Vergottung des Phantoms Körper. Zurück zu „Neodarwinismus“, „Erbbiologie“ und Lobotomie? Anstatt der Engel die Botenstoffe? Die Hirnforschung als Ideologie des „Neuen Zeitalters“...148



Nahtoderlebnisse III …………………………..153



Chronokratie, unsere Zeitkrankheit …………..187



Der Autor……………………………………… 225

















EINLEITUNG.



Die ernsteste Frage der Welt. Und warum stellen wir sie heute anders als noch vor zwei Jahren
arum sind diese Fragen, zwar nie veraltet, aber besonders heute wieder ganz aktuell geworden. Und die Frage: Warum soll ich solch ein Buch wie dieses heute lesen? lässt sich leichter beantworten als noch vor einem Jahr.
Mein Sohn fragte mich: Vater, wie sollen wir jetzt weiterleben, alle Utopien, auch die des Geldes sind ja gefallen! Ich hab keine Orientierung mehr, woran kann man sich noch halten? Sogar meine Gegner und Feinde haben verloren!

Ich weiß es seit lange, antwortete ich, doch ich habe es immer wieder vergessen. Es klingt kompliziert, doch es ist ganz einfach: Das, was alle meinen, gering schätzen oder vergessen zu können, ist das Wichtigste. Es drückt sich in der Kunst und in der Religion aus Vom All-Einen, dem SEIN, wir gehören dazu: wir SIND DA, und das ist ein Wunder! Das ist gar nicht selbstverständlich und davon nämlich müssen wir ausgehen: Denn es ist das Rätsel, das uns leben lässt, alles bestimmt. Das in Anderer Sprache als in der des Alltags sich äußert; die Alltagssprache ist Seiendes, Daseinsdummheit; die Kunst, die Musik, die Poesie und die LIEBE allein berühren den Grund jenes „Seins“, das uns sein lässt, uns denkt, uns möglich macht. Und wehe, du mischt dich falsch und nur mit dem Verstand, gar der „Wissenschaft“ und der Technik und mit ihren Analysen da ein, lässt es und deine innere Stimme nicht zu, und mischt dich ein mit Begriffen in einen Bereich, wo Begriffe nichts zu suchen haben! Du störst und zerstörst, genau wie im Fluss eines Gedichtes, das sich auch selbst schreibt, wenn die Sprache es will und es auch tut, wir sind nur das klingende Instrument. Das Desaster dieser Welt war und ist die Folge solcher andauernden Einmischung! Alles, was IST, wird von dieser obersten Macht des “Seins“ bewegt und gestaltet. Die Menschheit aber hält sich für gescheiter, lebt und arbeitet gegen dieses Gesetz an, Tag für Tag, jeder Einzelne und alle zusammen!



„Wissenschaft“ ist durch Heisenberg und Planck auch nahe an dieses Urmuster des Seins oder des EINEN herangekommen; und so besteht die Hoffnung, dass auf diesem Umweg auch der „Alltag“, die Seinsdummheit, die Wand, die uns vom Grund trennt, verändert wird. Dass es dieses Neue gibt, dass es auf uns wartet, weil wir es sind und schon in uns tragen, „ebenbildlich“, auf das die Menschheit fast durch alle ihre Katastrophen zuhält, zusteuert.

Moral hilft nicht weiter, es ist etwas Größeres, Umfassenderes, was beachtet werden, ins Zentrum gestellt werden muss!



Carl Friedrich von Weizsäcker ist dafür der beste Wegweiser und Erbe dieser sich anbahnenden Traditionsernte, der in einem Aufsatz über den Tod schrieb: "Aber das Sittliche ohne das Heilige ist nicht lebensfähig; es ist die Forderung ohne ihre Ermöglichung. Die selbst verzehrende Anstrengung der bloßen Moral kann kaum umhin, wenn sie wahrhaftig bleibt, böse oder verzweifelt zu werden.".



Diese neue Ratlosigkeit schafft einen leeren Ort, wo alles neu beginnen könnte! Sie könnte eine Veränderung des modernen Zeitbewusstseins überhaupt anzeigen. Dass sich nämlich die „Struktur des Zeitgeistes und der Aggregatzustand der Politik“ radikal verändern, dass wie vor 200 Jahren „die Paradieseshoffnungen mit der Verzeitlichung der Utopien ins Diesseits eingewandert sind“, so würden heute „die utopischen Erwartungen ihren säkularen Charakter verlieren“ und möglicherweise wieder transzendenten, grenzüberschreitenden Charakter annehmen, dies schrieb ein Nachfolger der linken „Frankfurter Schule“ Adornos und Horkheimers Jürgen Habermas noch kurz nach dem millenaren Zeitbruch von 1989.



Wird hier ein Irrlauf wieder gut gemacht, dieses ruinöse postneoliberale Projekt wenigstens im Denken zurückgenommen? Inzwischen hat es sich sogar ökonomisch zurückgenommen, ist eindeutig gescheitert! Aber mit welchen Kräften, die nicht nur vom Menschen gemacht sind, die er aber provoziert hat, müssen wir rechnen? Es sind die alten Kräfte, de vergessen wurden, von denen man meinte, man könne sie einfach nur belachen und ausklammern! Es geht um eine neue Haltung heute zum Problem Leben und Tod, um ein Verschieben der Grenze zwischen ihnen! Und was stellt diese Verschiebung in Frage? Unser angemaßtes Wissen, als wüssten wir „alles“ schon, und darauf ist die moderne Zivilisation gegründet, auf eine Lüge also!



Der Alltagsverstand jedenfalls und unsere gewohnte Erfahrung ist ungeeignet dazu, um mit der Frage nach dem Tod umzugehen.

Und dieses Buch möchte nach möglichst plausiblen Antworten auf diese quälende Frage suchen. Ich beginne mit dem glaubwürdigsten Denker, dem „Vater der Aufklärung“, Immanuel Kant.





















ERSTER TEIL





Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als sich

unsere Schulweisheit träumen lässt?





GIBT ES EIN LEBEN NACH DEM TOD?



Der Philosoph Immanuel Kant

und der Hellseher Emanuel Swedenborg





"Trat man als Gast in Kants Haus, so herrschte eine friedliche Stille ... Durch eine ganz einfache, ja, armselige Tür, kommt der Gast in das eben so ärmliche Sans-Souci, zu dessen Betretung man beim Anpochen durch ein frohes Herein eingeladen wurde. Das ganze Zimmer atmete Einfachheit und stille Abgeschiedenheit vom Geräusche der Stadt und Welt. Hier saß der Denker auf seinem ganz hölzernen Halbcirkelstuhle, wie auf einem Dreifuß... Im Studierzimmer sind die Wände weißgetüncht. Und auf dem weißen Papier ging seine zügige Schrift voran mit dem Federkiel, der Kopf etwas geneigt."

Es war der 10. August 1763. Kant hatte über glaubwürdige Zeugen von Visionen und Totengesprächen des "Geistersehers" Emanuel Swedenborg aus Stockholm erfahren. Und "um nun das Vorurtheil von Erscheinungen und Gesichtern nicht durch ein neues Vorurtheil blindlings zu verwerfen, fand ich es vernünftig, mich nach dieser Geschichte näher zu erkundigen (...)", heißt es in einem später berühmt gewordenen Brief an ein Fräulein von Knobloch. Kant war geneigt, diesen paranormalen Erscheinungen Glauben zu schenken. So berichtet er in seinem Schreiben zustimmend über eine gewisse Madame Hartville, "die Witwe des Holländischen Envoyer in Stockholm“, diese sei "einige Zeit nach dem Tode Ihres Mannes von dem Goldschmidt Croon um die Bezahlung des Silberservices ... welches ihr Gemahl bei ihm hatte machen lassen“, gemahnt worden: "Und die Witwe war zwar überzeugt“, so Kant, „dass ihr verstorbener Gemahl viel zu genau und ordentlich gewesen war, als dass er diese Schuld nicht sollte bezahlt haben, allein sie konnte keine Quittung aufweisen ..."

Madame Hartville bat Swedenborg um Hilfe. Er sagte zu, und drei Tage später behauptete er, "dass er ihren Mann gesprochen“, so Kant in seinem Brief: Die Schuld sei sieben Monate vor seinem Tode bezahlt worden, die Quittung aber könne in einem Schrank, der sich im oberen Zimmer befände, gefunden werden. Der Tote habe es genau beschrieben; wenn man an der linken Seite des Schrankes eine Schublade öffne, und ein Brett beiseite schiebe, dann in einer anderen verborgenen Schublade unter der geheim gehaltenen holländischen Korrespondenz des Verstorbenen suche, wäre dort auch die Quittung zu finden. Und die Quittung wurde zur Verblüffung der Hofgesellschaft tatsächlich am beschriebenen Ort gefunden. Kant schildert auch die hellseherischen Fähigkeiten Swedenborgs, der den Brand Stockholms aus hundert Kilometer Entfernung genau wahrgenommen und beschrieben hatte: "Die folgende Begebenheit aber scheint mir unter allen die größte Beweiskraft zu haben und benimmt wirklich allem erdenklichen Zweifel die Ausflucht (...) Des Abends um sechs Uhr war Herr von Swedenborg herausgegangen und kam entfärbt und bestürzt ins Gesellschaftszimmer zurück. Er sagte, es sey eben jetzt ein gefährlicher Brand in Stockholm am Südermalm (...) und das Feuer griffe sehr um sich. Er sagte, dass das Haus eines seiner Freunde, den er nannte, schon in der Asche läge und sein eigenes Haus in Gefahr sei. Um acht Uhr (...) sagte er freudig: Gottlob der Brand ist gelöscht (...)" Auch diese Angaben des Hellsehers wurden bis ins Detail durh die späteren Berichte und offiziellen Dokumente bestätigt.

Kant kam schon am Beginn der Ausarbeitung seiner apriorischen Philosophie die absolute Offenheit Swedenborgs auch methodologisch entgegen. Swedenborg vertrat die Ansicht, dass es "nun erlaubt sei", "mit Hilfe des Verstandes in alle Geheimnisse des Glaubens einzudringen", aber es wäre "gefährlich ... mit einem Verstand in solche Glaubenslehren einzudringen…, die das Ergebnis einer bloß menschlichen Einsicht und mithin aus Falschheiten zusammengesetzt sind." Wer sich immer nur an das halte, was er alltäglich vor Augen hat, sei mit Blindheit geschlagen.

Kant hatte Swedenborg geschrieben, ihm Fragen gestellt. Der Gelehrte ließ Kant sagen, er bereite ein Buch vor, und darin wolle er auf Kants Fragen antworten. Es handelte sich um Swedenborgs Werk "Arcana Coelestia", zu Deutsch "Himmlische Geheimnisse", in acht Bänden. Es heißt, es seien nur vier Exemplare verkauft worden, eines davon habe Kant erworben. Er las es - mit wachsendem Unbehagen, ja, mit wachsender Enttäuschung. Swedenborg behauptete nämlich: "(... ) durch meine Augen durften sie (die Geister und Engel) die in der Welt befindlichen Dinge sehen ( ...) und dann auch die Menschen mit mir reden hören (...) sie sahen auch ihre Gatten und Kinder (...) Durch die Gassen einer Stadt, und durch ihr Gefilde wandelnd, und zugleich auch im Gespräch mit Geistern... "

Zur Erklärung dieser Entrückung zitiert Swedenborg die Bibel, von der er in seinen "Himmlischen Geheimnissen" auch ausgeht: "...wenn man im Wort liest, ´sie seien dem Körper entrückt worden (abducti a corpore), und sie seien vom Geist an einen anderen Ort weggeführt worden.´(...) Alle Sinne sind dann so wach wie im höchsten Wachsein des Körpers (...), sowohl das Gesicht, als das Gehör, und merkwürdigerweise auch der Tastsinn, welcher alsdann schärfer ist, als er es je sein kann beim Wachen. (...)"



Kants Enttäuschung über die "Arcana coelestia" äußerte sich in seiner Streitschrift "Träume eines Geistersehers erläutert durch die Träume der Metaphysik", die 1766 anonym erschien. Er nannte Swedenborgs "Himmlische Geheimnisse" "acht Quartbände voller Unsinn" und ließ sich zu Invektiven hinreißen: " ... wenn ein hypochondrischer Wind in den Eingeweiden tobet, so kommt es darauf an, welche Richtung er nimmt, geht er abwärts, so wird daraus ein F -, steigt er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung oder eine heilige Eingebung."

Er nannte den international anerkannten Gelehrten plötzlich "einen gewissen Herrn Schwedenberg ohne Amt und Bedienung", "Erzphantasten unter allen Phantasten" "unbekannten Narren" und gar Betrüger. Dabei war Swedenborg königlich schwedischer Assessor beim Bergwerkscollegium, ein anerkannter Verfasser wissenschaftlicher Arbeiten,. Mitglied der Academien zu Stockholm und Petersburg. Swedenborg hatte allerdings nach einem Bekehrungserlebnis in London alle seine Ämter niedergelegt und widmete sich nur noch seiner "Berufung".

Irritierten Kant die so naiven "Tatsachen" des Unbegreiflichen, oder gar die Trivialisierung der tiefsten Geheimnisse? Schon der Philosoph Moses Mendelssohn hatte in einem Brief an Kant über die "Träume eines Geistersehers" entsetzt nach der Ursache dieser Beschimpfungen gefragt. Und Kant antwortete ihm am 8. April 1766, dass es ihm "also am rathsamsten" schien, "andren dadurch zuvorzukommen, dass ich über mich selbst zuerst spottete wobey ich auch ganz aufrichtig verfahren bin indem wirklich der Zustand meines Gemüths hiebey wiedersinnlich ist..." "Widersinnlich" war also sein Gemüth, gespalten, denn er habe zwar gespottet, doch, "was die Erzehlung anlangt" hat er sich "nicht entbrechen" können, "eine kleine Anhänglichkeit an die Geschichte von dieser Art als auch was die Vernunftgründe betrifft einige Vermuthung von ihrer Richtigkeit zu nähren ungeachtet der Ungereimtheiten..." sich zu bewahren.

Eine solche Bewusstseinsspaltung in Sachen übersinnliche Unheimlichkeiten nannte Freud später einen "Urteilsstreit". Natürlich spielte die Angst des angehenden Professors, sich lächerlich zu machen, eine große Rolle. In der veröffentlichten "Streitschrift", greift Kant Swedenborg heftig an, als Privatperson aber schreibt er einen begeisterten Brief über den Hellseher. Wie ist das möglich?

Kants Herz hing an der "Geisterwelt". Erfahrung und Vernunft aber waren die Grundlagen seines Berufes. Diese Spaltung ist der Antrieb seines Denkens. Und er erarbeitet in der Streitschrift schon 1766 die beiden Gegenpole: 1. die Grundmethode seiner kritischen Philosophie, Grenzen setzend, und 2. in seiner Morallehre: Grenzen öffnend. Er verdammt nicht nur Swedenborg, sondern auch die erfahrungslosen Spekulationen der Metaphysik seiner Zeit als "Hirngespinst": "Leben und Tod werden wir nie durch Vernunft einsehen können. Das ist die Grenze."

Ganz streng urteilt er, ohne freilich etwas anderes als die Vernunft als Erkenntnisorgan zuzulassen. Wer sich auf "Träume" verlasse, der falle der "Krankheit des Kopfes" und der Spinnerei zum Opfer: a. beim "Phantasten" Swedenborg durch die Empfindung, b. bei den Metaphysikern durch die Vernunft. Immer wieder zitieren Kommentatoren genüsslich Kants Äußerung: "(...) dass man die anschauende Erkenntnis der anderen Welt nur erlangen kann, indem man etwas von demjenigen Verstande einbüßt, welchen man für die gegenwärtige nötig hat.“

Unterschlagen wird freilich der darauf folgende Satz Kants: "(...) Wollte ich wirklich ein Ungläubiger sein, wäre ich doch genau wie der Denkpöbel, mit einer wetterwendischen und auf den Schein angelegten Gemütsart, um so vor der herrschenden Meinung und Mode den Rücken zu beugen, nur um zu avancieren."

Aufklärung, deren "Vater" Kant genannt wird, ist innere Revolte, Denken mit dem eigenen Kopf denken! Widerstand leisten gegen versteinerte Gedanken und versteinerte Verhältnisse und Autoritäten! Die Radikalität des jungen Kant wird (auch heute noch) missdeutet! Philosophie war für Kant die Wissenschaft von den Grenzen der Vernunft, doch das Übersinnliche wird nicht geleugnet, nur der Zugang dazu mit unseren theoretischen Denk-Mitteln für unmöglich gehalten. Weil sowohl Vorstellungen von "drüben", als auch "begleitende Ideen" fehlen, um das postmortale Leben überhaupt denken zu können... Swedenborg dagegen geht vom Glauben aus, einen "vom Herren erleuchteten Verstand" zu besitzen. Enge, vorurteilsvolle Kritik, die sich dem Unbekannten verschloss, lehnte er als "Vernünfteln" ab.

Kant, dem Handwerkersohn, war jede Frömmelei zuwider, und er konnte spöttisch und auch drastisch werden; er mochte im Denken das Solide und im Leben das Handfeste. Und er war ein Weltmann, begierig auch nach Welt und Geselligkeit, er schwebte nicht über den Wolken, saß in keinem Elfenbeinturm. Kaufleute, Offiziere, Juristen waren seine Freunde, kaum Kollegen. Kriminalrat Jensch stopfte seine Pfeifen, die Frau Professor Pörschkes besorgte das Trocknen der Schotenerbsen und Schwertbohnen, der Engländer Motherbey, Schwager von Kants bestem Freund, dem Kaufmann Green, schaffte Käse und Kabeljau herbei, der Kaufmann Jacobi den Rheinwein, Regierungsrat Vigilantius erledigte die Gehaltsquittungen. Kant hatte ein gutes Gespür für Leute und Realitäten, ließ sich in seinem täglichen berühmt gewordenen Mittagstisch von seinen Gästen aus allen Bereichen der Wirklichkeit berichten. Es wurde nie theoretisiert!

Wie bei Swedenborg ist für Kant die praktische irdische und sinnlich-körperliche Existenz auch für die Seele absolut notwendig, um Erfahrungen machen zu können. Nicht nur um die Persönlichkeit auszuformen, ihr Stoff und Kontur zu geben, sondern weil "sich alle ... Fähigkeiten erst durch den Körper entwickelt haben": "... und … sie alle Kenntnisse, die sie von der Welt hat, erst durch den Körper erlangt, und sich also durch den Körper zu der künftigen Fortdauer hat vorbereiten müssen."

Hier übernimmt Kant sogar die Auffassung Swedenborgs, bei dem "das Leben, welches sich der Mensch in der Welt verschafft hat“, ihm nach dem Tode "folgt". Ja, dass der Sinn des körperlichen Lebens sehr ernst zu nehmen sei, da er dem Bau eines "geistigen Leibes" dient, und so alles, was hier erworben wurde, samt liebgewordenen Gewohnheiten, aber auch alle Vergehen mitgenommen werden müssten! Freilich mit dem Ziel, hier Erfahrung für ein unendliches Wachstum zu erwerben, um nach dem Tode die notwendigen Verbindung zwischen Seele und Körper zu lösen, endlich frei zu sein, ihr "wahres Leben" im Unermesslichen zu führen. Beim reifen Kant heißt es: "Also ist der Tod nicht die absolute Aufhebung des Lebens, sondern eine Befreiung der Hindernisse eines vollständigen Lebens."

"Die" Aufklärung ist bei ihrem tiefsten Denker Kant nicht, wie Adorno es sah, nur "Entzauberung der Welt", Sturz der Einbildung durch Wissen, "Triumph des Tatsachensinns", ein Wissen, dessen Wesen Technik sei, das nicht auf das "Glück der Einsicht, sondern auf Methode, Ausnutzung der Arbeit anderer" ziele. Für Kant trifft das nicht zu. Kant hat selbst gesagt, er habe das Denken als eine Art "Räumungsarbeit" angesehen, es nur eingeschränkt, um Platz für das Transzendentale zu schaffen. Er hatte Swedenborg als eine Art "Reibungsfläche" benützt, um seine eigene kritische Philosophie aufzubauen, die ihn dann berühmt machte. Schon in der Streitschrift "Träume eines Geistersehers", heißt es: "...wie er in dieser Welt gegenwärtig sei, die wie eine immaterielle Natur in einem Körper und durch denselben wirksam sein könne; alles um einer sehr gültigen Ursache willen, welche diese ist, dass ich hievon insgesamt nichts verstehe, und folglich mich wohl hätte bescheiden können, eben so unwissend in Ansehung eines künftigen Zustandes zu sein ... Und eben die Unwissenheit macht es, dass ich mich nicht unterstehe, so gänzlich die Wahrheit so mancher Geistererzählung abzuleugnen."

Gegen Swedenborg ist Kant ungerecht und böswillig, als wüte er gegen sich selbst! Es ist erstaunlich, dass der handschriftliche Urtext der "Träume eines Geistersehers" voller Freudscher Verschreiber ist, und zwar immer an jenen Stellen, wo sich Kant offensichtlich mit sich selbst im innern Streit befindet, bewusst oder unbewusst die Unwahrheit schreibt.

Die Kieler Dissertation von Gottlieb Florschütz, die unter dem Titel "Swedenborgs verborgene Wirkung auf Kant" 1992 erschienen ist, weist ausführlich nach, dass Swedenborg vieles von Kants Philosophie vorweggenommen hat, ja, dass Kant ohne Swedenborg kaum denkbar wäre.

Schon Balzac hatte in seinem "Buch der Mystik" darauf hingewiesen. Wer ein wenig in den Autorenbiographien blättert und Einflüssen nachgeht, kann in Wut geraten über die Literaturgelehrten und Historiker, über den Skandal ihrer Unterschlagungen und Verdrängungen; dieses gilt freilich für alle Disziplinen bis hin zur Theologie; und möglicherweise wurde auf diese Weise die gesamte Kulturgeschichte durch rationalistische Ideologie verfälscht, ja, gefälscht. Und eine gut dokumentierte Gegengeschichte, die diesen Skandal einmal untersucht und beschreibt, steht leider noch aus! Auch das Märchen von der Aufklärung ist falsch. Das schlagende Beispiel dafür ist der große Kant.

Schon Kant war, wie Swedenborg davon überzeugt, dass die materielle Welt nur Erscheinung, Schein ist, was inzwischen die Mikrophysik auch experimentell bestätigt. Schon für Kant waren sinnliche und "übersinnliche" Welt nicht getrennt, sondern die sichtbare Welt war nichts weiter als die Erscheinung der geistigen (oder der Geisterwelt), die unsichtbare Welt aber die wahre Ordnung der Dinge.

Kein Wunder, dass sich der "Vater der Aufklärung" nie vom "Geisterseher" befreien konnte und Hass-Liebe empfand! Doch die Einflüsse des "Sehers" sind auch auf die deutsche Klassik und Romantik unübersehbar, und sie werden von der Forschung unterschlagen.

Zur Zeit der Kant-Swedenborg-Kontroverse (1765/66) wurde das Weltbild der Aufklärung erarbeitet und Denken zugunsten einer im Praktischen abgesicherten Erfahrungswelt eingeschränkt. Doch Kant wendet sich schon anderthalb Jahrzehnte später, nämlich ab 1783 in den "Vorlesungen über Metaphysik", vor allem aber 1790 in den "Vorlesungen über die rationale Psychologie" dem verdrängten Übersinnlichen wieder zu. In dieser dritten Periode seines Lebens steht das "Ding an sich" im Mittelpunkt, dieses ominöse und berühmte "Ding an sich" ist theoretisch und den Sinnen unzugänglich, es ist aber nach Kant die unbezweifelbar der Erscheinung zugrunde liegende tiefere Wirklichkeit, die Sinne und Verstand bewegt, ihnen erst den "Stoff" liefert, damit überhaupt Welt entstehe! In dieser Zeit rehabilitiert Kant Swedenborg wieder, nennt ihn sogar "erhaben", übernimmt dessen Grundgedanken vom geistigen, ja "jenseitigen" Grund der Welt.

Kant war aber auch im Spätwerk niemals "Spiritist". Nicht der "Geisterkontakt" interessierte ihn, sondern die Kontinuität der menschlichen Seele, und damit die Gründe für eine moralische Handlungsweise, Gründe, die in der andern Welt zu suchen seien. Das Geheimnis des sittlichen Antriebs, der gegen die körperlich-tierische Natur und ihr Interesse gerichtet ist! Kants "Postulate" zur Vervollkommnung des "höchsten Gutes", der berühmte Kategorische Imperativ gehört dazu.

Kant definiert diesen geistigen Grund der Welt sogar schon im Basiswerk der Aufklärung, der "Kritik der reinen Vernunft", so: "Gott also, und ein künftiges Leben, sind zwei von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auferlegt, nach Prinzipien eben derselben Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen."

Noch strenger heißt es in den "Vorlesungen über Metaphysik": "Gott und die andere Welt ist das einzige Ziel aller unserer philosophischen Untersuchungen, und wenn die Begriffe von Gott und von der anderen Welt nicht mit der Moralität zusammenhingen, so wären sie zu nichts nütze."

Schon Moral also wäre eine übersinnliche, ja, "okkulte" Einwirkung vom Welt-Grund in unsere Erscheinungswelt. Dieses führt Kant in seinen späten "Vorlesungen zur rationalen Psychologie" (1790) aus, nämlich die Verbindung zum Übersinnlichen, das sogenannte "Commercium von Leib und Seele, den Wechsel der Anschauungsart durch den Tod und eine Geistergemeinschaft schon zu Lebzeiten." Dies 1790. Zur Zeit der Streitschrift 1766 geht Kant noch als junger Aufklärer davon aus, dass wir nur das wissen können, was uns unsere Sinne und der Verstand vorgeben, dass die Welt so ist, wie sie uns Auge und theoriegelenktes Denken vorgaukeln. Dies, obwohl er schon damals schwankte, gespalten war, den transzendentalen Gedanken in sich selbst bekämpfte. Kant wird heute missverstanden, für ein reduziertes rationalistisches Weltbild in Anspruch genommen. Dabei ist dieses einschränkende Denken nur die Antwort auf die erste der drei Fragen, die Kant stellt, und die seinen drei Hauptwerken entspricht: Was können wir wissen - in der "Kritik der reinen Vernunft" (1781), was sollen wir tun, in der "Kritik der praktischen Vernunft" (1787), und was dürfen wir hoffen, in der "Kritik der Urteilskraft" (1790).

In der ersten Kritik, ist das Fazit ein Skandal, dass wir mit Sinnen und Verstand nur das wissen können, was wir nach den Bedingungen, in denen wir gefangen sind, selbst hineingelegt haben, also über die Dinge, wie sie an sich sind, nichts wissen können. Dazu kommt die Unmöglichkeit, mit unseren rationalen Mitteln, etwas über Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu erfahren. Doch gebe es, so Kant, noch Vernunft und Urteilskraft, sie seien der Weg, aus dem Gefängnis zu entkommen: Mit Intuition, Gefühl, vor allem mit dem Gewissen. Sie führen uns zu höheren Realitäten, an die weder Theorie noch Wissenschaft heranreichen können. Sie sind erst im Handeln zu erfahren, im Bereich der Entscheidung. Erst sie geben uns Würde und Selbstbewusstsein, Selbstgewissheit und Verantwortung, die einer anderen Welt angehören. Gesellschaftliche Rücksichten dürfen sie nicht einschränken! Nach Herder, Kants Schüler, galt für Kant keine Kabale, keine Sekte, kein Vorteil, nur die Vernunft. Vernunft, nicht zu verwechseln mit dem "Verstand", - sie allein ist Garant der Freiheit, steht vor jeder Erfahrung. Schon der Verstand ist "übersinnlich", die Vernunft aber hat ihre eigene Ursache. "Für die Freiheit“, so Kant, "ist das Bewusstwerden des Übersinnlichen", fundamental, und mit dem "bestimmten Denken des Übersinnlichen" sind die Postulate der praktischen Vernunft gemeint: die Postulate der Unsterblichkeit und eines Gottes zum Zwecke der Vervollkommnung des "höchsten Gutes" als Gegenstand des Moralgesetzes; das "Übersinnliche" also ist im Menschen fundamental, es gibt uns und der Natur die höheren Gesetze aus einer allumfassenden Ur-Sache und allgemeinen Zweckmäßigkeit; Die Vernunft aber ist höchste Autonomie. Autonomie, diese Grundforderung der Aufklärung, entspringt weder der Politik, der Wissenschaft, noch gar der Wirtschaft, sondern dem eigenen Gewissen, und dem Wissen, dass wir Bürger zweier Welten sind! Genau dies meint auch die berühmte Antwort Kants, was Aufklärung sei: " ... Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit..."

Unmündigkeit aber ist Unfähigkeit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Dazu gehören Einsicht und Mut. Abhängigkeiten, Vorurteile, als eigenen Fehler zu erkennen, nämlich, nicht Widerstand zu leisten gegen das übliche Denken, das dem gerade herrschenden Gesellschaftssystem dient, Angst davor zu haben, dem eigenen Gewissen entsprechend zu erkennen und zu handeln. Von nichts und niemandem abhängig zu sein, auch vom Körper nicht, von der Uhrzeit nicht, war Kants Devise. Er überlistete etwa die Tyrannei der Uhr-Zeit durch extreme Pünktlichkeit, und die Königsberger stellten ihre Uhren nach der immer gleichen Uhrzeit seines Spaziergangs ein. Jede freie Selbstbestimmung gab Kant ein Glücksgefühl ein, denn er war alles andere als ein angepasster Spießer. Herder schreibt über ihn: "Seine offene, zum Denken gebaute Stirn war ein Sitz unzerstörbarer Heiterkeit und Freude; die gedankenreichste Rede floss von seinen Lippen; Scherz und Witz und Laune standen ihm zu Gebot ..."

Kant bestimmte die feste Ordnung seines alltäglichen Lebenskreises bis ins Kleinste, um für seine geistige Arbeit frei zu sein, eben weil sein Körper und seine Psyche äußerst sensibel und irritierbar waren. Feste Gewohnheiten garantierten eine Art inneres Schutzgehäuse. Manches freilich wirkte, besonders im Alter des Junggesellen Kant, schrullenhaft. In der Jugend hatte seine Angst, sich selbst und die Ruhe für seine Arbeit und seinen Professoren-Beruf zu verlieren, mit zur Aggressivität gegen den Hellseher Swedenborg beigetragen, der behauptete, mit Toten reden zu können. Doch auch den eigenen schwächlichen Körper, der ihn bedingte und bestimmte, fürchtete Kant. So hatte er eine höchst drastische Ausdrucksweise, wenn er über seine Physis sprach:

"Dieser gänzliche Mangel an Hintern... Und wenn er keinen Hintern hat, wie mag der Edle sitzen? Gar denken? " Nur, weil sein Sessel sehr hoch und sehr konvex gepolstert war ... Haarbeutel verrutscht, die Schulter ganz schief... Er habe eine zarte Constitution. Und der kleine Leib werfe einen geringen Schatten nach außen. Und er wundere sich jeden Morgen vor dem Spiegel über diesen muskelarmen Corpus. Da sei die flache Brust, die Beschwerden daher, diese Brust fast eingebogen, und stehe vorgeneigt. Und das rechte Schultergelenk sei hinterwärts etwas verrenkt.

Das Gefängnis des Körpers also, und das der gegebenen Zeit. "Zeit" stand auch philosophisch im Zentrum seines Denkens. Paradox, dass schon im Alltag sogar Objekte, die doch nebeneinander stehen, verzeitlicht werden, in einer Abfolge erscheinen. Und dem Gespenstischen, Irrealen der Erscheinung, ja, der eigenen Körperexistenz, zwingt Kant ein Diktat des Geistes, des Plans, der Selbstbeherrschung auf. Der Zerstreuung des Bewusstseins setzt er sogar in der Zeit selbst etwas Unwandelbares entgegen: nämlich das außerhalb der Zeit, des Körpers und jeder Erfahrung gegebene "moralische Gesetz". Dieses könne jeder unmittelbar in sich selbst empfinden, so Kant: Nur jener Mensch ist frei und unabhängig, auch von Zeit und Körper, der sich nicht seiner physischen Existenz, Schwächen, Trieben und egoistischen Interessen überlässt, sondern dem Gesetz seiner Vernunft, dem Gewissen, das einer anderen Welt angehört, folgt. Der Sklaverei unserer Sinne, der engen Ratio, der Vorurteile, sowie sozialer Hörigkeit entgehen wir erst, wenn wir diesem Ruf folgen. Dazu gehört ein starker, aber auch ein "guter Wille" zur Selbstüberwindung. Und sein "reales Objekt" ist der "unendliche Progressus".



Kant aber war kein Asket und Weltverächter. Im Gegenteil. Er mochte Gesellschaft, war witzig und tolerant, mochte die Natur; das einzige Bild, das in seinem Arbeitszimmer hing, war ein Porträt von Rousseau, den er verehrte, einer seiner Freunde war der Förster Wobster von Moditten, bei dem er oft im Forsthaus zu Gast war. Kant hatte eine gute Beziehung auch zu Frauen, und sie mochten ihn, er konnte mit ihnen angenehm und gut informiert auch über Kochkunst plaudern, hatte sogar vor, ein Kochbuch zu schreiben. Wie ist das möglich? Die Seele ist, laut Kant, unbeschrieben, sie braucht den Körper, die Welt, um sich zu entwickeln. Freilich: Da wir uns über den Tod hinaus weiterentwickeln, also das, was wir hier getan und erworben haben, "mitnehmen", so Kant, sollten wir uns nicht nur auf die 8o Jahre hier auf der Erde einstellen, unser Leben also nicht um die Ewigkeit verkürzen, denn als Körperwesen wird der Mensch schließlich vernichtet, als Vernunftwesen, das allerdings vom Leben geformt wird, ist jeder dem Tode entzogen. Freiheit hat nur Sinn, wenn es diesen "Fortschritt" gibt, der zum "höchsten Gut" gehört! Wir sehen, Freiheit und Fortschrittsbegriff der Aufklärung wurden völlig verkehrt verwendet. Bei Kant hieß es noch: "Dieser unendliche Progressus ist aber nur unter Voraussetzung einer ins Unendliche fortdauernden Existenz und Persönlichkeit desselben vernünftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit der Seele nennt) möglich. Also ist das höchste Gut praktisch nur unter der Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seele möglich; mithin diese, als unzertrennlich mit dem moralischen Gesetz verbunden."

Kant ging zwar von den Sinnen und dem Verstand aus. Doch diese und den Leib sah er nur als vergängliches Instrument an. Und er musste mit diesem schwächlichen Körper haushalten, um sein Riesenwerk zu vollenden. Bis zur Pedanterie und Selbstdisziplin kasteit er den Körper. Zum Frühstück nur zwei Tassen Tee und eine Pfeife Tabak, das Abendbrot lässt er ausfallen; Kaffee, den er sehr mochte, dessen Geruch ihn reizte, vermied er gänzlich. Und nicht mehr als zwei Pillen pro Tag, auch wenn er krank war, verschrieb er sich, dazu seltsame Gesundheitsregeln. Der Wohnraum seines eigenen großen Hauses im Schlossgraben, das er wie ein Gast bewohnte, und die Dinge wie geliehen in dieser flüchtigen, täuschenden Existenz auf Zeit, galt ihm Besitz nichts, alles war äußerst karg, aber zweckmäßig: Im Esszimmer nur ein Spiegel, im Studierzimmer, Schreibtisch, Kommode zwei Tische mit Büchern und Schriften, die Wände weiß, keine Tapeten. Überall störten Körper, der Raum, die Uhr-Zeit deuteten auf die niederste Stufe der Existenz hin, die sich am schlimmsten als täuschend vergehende Zeit äußerte. Dagegen setzte Kant äußere peinliche Ordnung, er wirkt daher wie ein Sonderling: Schere oder Federmesser durften auf dem Schreibtisch nicht verschoben sein, sonst geriet er in Unruhe und Verzweiflung, auch wenn der Stuhl nicht an gewohnter Stelle im Zimmer stand. Mit Regeln und selbst auferlegten Tageseinteilungen versuchte er, Zeit und Raum zu beherrschen. So stand er morgens um fünf Uhr auf. Bis sieben arbeitete er und dachte seinen Vortrag durch; von sieben bis neun hielt er Vorlesungen als Professor, von neun bis Viertel vor ein Uhr widmete er sich der kreativen Arbeit im Studierzimmer, ein Uhr empfing er seine Tischgäste, bis vier Uhr war Mittagstafel, wenn er große Gesellschaft hatte bis sechs Uhr. Punkt sieben Uhr ging er etwa eine Stunde spazieren. Dann noch Lektüre von Zeitschriften, neuen Büchern oder der Zeitung, pünktlich um 10 Uhr ging er schlafen.

Alles war fast zeremoniell geregelt. Denn die Zeit als Phänomen hatte für Kant etwas Beunruhigendes, Gespenstisches, da er seinen Geist von einem anderen Reich her, aber als Gefangener, bestimmt sah. Er sah sich fremd hinter einer Wand der Sinne steht, und der Art, wie er und alle Menschen gezwungenermaßen sehen müssen, ausgesetzt. Er war einerseits ein Kind seiner Zeit, so dass er an die "Kontinuität", also auch an den Zwang der Uhrzeit glaubte, andererseits aber gab es für ihn viel Wichtigeres, so: "die Bestimmung seines Daseins nur in der Form des inneren Sinnes": "Das Bewusstsein seiner selbst und die Identität der Person beruht auf dem innern Sinn. Der innere Sinn aber bleibt doch auch noch ohne den Körper, weil der Körper kein Princip des Lebens ist, also auch die Persönlichkeit."

Fremd, weil der Mensch nach Kant eine Art Ebenbild des "höchsten Gutes", des "Einen" sei. Dieser "innere Sinn" aber gehe über die Alltagswelt der Sinne weit hinaus, da schon wegen des Voranrückens von Zeit in den Außeneindrücken eine Erfahrung überhaupt nur möglich sei, wenn "Zusammenhang" oder "Einheit" unseres Bewusstseins als "Gewusste" und zugleich Wissende, also Verstehen da ist. "Einheit der Apperzeption (oder des Bewusstseins)." "Einheit der Synthesis in der Mannigfaltigkeit" nannte Kant diesen Kernpunkt seiner Philosophie. Wir sind sozusagen "Gewusste" und zugleich Wissende. Diese "Selbstunterscheidung" ist nach Kant aber "schlechterdings unmöglich zu erklären, obwohl ... ein unbezweifelbares Faktum ... (sie) zeigt ... ein über alle Sinnenanschauung ... weit erhabenes Vermögen an ... den Grund der Möglichkeit eines Verstandes." Das Zauberwort dieses Vermögens heißt "synthetische Urteile" oder die berühmte "Einheit der Synthesis in der Mannigfaltigkeit", was am besten die Mathematik, die Zahl leiste, aber auch ein Begriff. Nun ist die Zahl das Substrat oder Subjekt der nicht wahrnehmbaren Zeit, die zur Unendlichkeit gehört, also zu einer undurchschaubaren Einheit eben jenes Einen und höchsten Gutes, dessen Spiegel auch der Mensch ist. Es geht eigentlich nur um die erwähnte Teil-Habe am "Einen", um das Gottesebenbildliche in uns, das jedoch nicht zum Zuge kommen kann, weil wir uns selbst fremd sind, genau wie die Dinge uns fremd bleiben, als in den Körper Gefallene unbekannt bleiben müssen, solange wir nur getrennte Körper sehen, eine Art Sündenfall, weil wir im Körper und unseren Sinnen gefangen sind. Carl Friedrich von Weizsäcker hat das sehr schön am Beispiel der heutigen Theorie der Physik, der Quantentheorie gedeutet, die von Kants Denken gelernt hat: Die von uns sinnlich wahrgenommene Vielheit der Dinge - so Carl Friedrich von Weizsäcker - sei "letztlich nicht wahr." Isolierte Objekte bedeuten nur "mangelnde Kenntnis der Kohärenz ...der Wirklichkeit. Wenn es überhaupt eine letzte Wirklichkeit gibt, so ist sie Einheit. Vom Standpunkt dieser Einheit aus gesehen ... sind die Objekte nur Objekte für endliche Subjekte (d.h. für Subjekte, denen gewisses mögliches Wissen fehlt)... (d.h. sie sind individuelle Seelen unter den Bedingungen der Körperlichkeit)."

Kant Situation als vorausschauender Geist im 18. Jahrhundert ist tragisch: Er ist 200 Jahre zu früh gekommen. Seine Intuitionen im höheren Bereich der Vernunft und der Einheit der Zeit sind genial, im Bereich des Verstandes aber eingeengt, abhängig vom Wissensstand seiner Zeit, ihrer mechanischen Raum und Zeitvorstellungen. Wie außerordentlich wichtig aber dieser "innere Sinn" der Einheit ist, und auch als Subjekt und Substrat der Zeit gilt, die das Ich aus der Ewigkeit erzeugt, körperliches Dasein erst ermöglicht, zeigt die Rückübersetzung dieses Sinnes in den späten Vorlesungen Kants über "Rationale Psychologie" ins Zeitlose, nämlich als Garant des "persönlichen Überlebens des Todes": "Das Bewußtseyn seiner selbst und die Identität der Person beruht auf dem inneren Sinn. Der innere Sinn bleibt doch auch noch ohne den Körper ... also auch die Persönlichkeit."

Doch dieser "innere Sinn" und sein Wechselspiel mit der "reinen Vernunft" spiegelt schon das, was nach dem Tode geschieht: Geist, der nach dem Moralgesetz in unsere Handlungen unmittelbar hineinwirken kann via Gewissen, dieses aber geht dem "inneren Sinn" voraus, der die Zeit und die Gegenstände im Leben erzeugt. Es scheint bei Kant so, als wäre Leben ein Widerschein der andern Welt, und Selbstverwirklichung erst möglich, nachdem wir im Tode zu ihr, also zu uns gekommen sind. So heißt es bei ihm: " ... der Tod (ist) nicht die absolute Aufhebung des Lebens, sondern eine Befreiung der Hindernisse vollständigen Lebens." Bei Swedenborg und bei Kant wird etwas Unheimliches angenommen: dass das "Jenseits" immer da und greifbar da ist, nur eine dünne Wand trennt uns von ihm und den "Toten", die bei Erleuchtungen, manchmal in Träumen durchbrochen wird, im Tod aber endlich wegfällt.

"Die Trennung der Seele vom Körper", heißt es bei Kant, "ist nicht in eine Veränderung des Ortes zu setzen, (es ist die) Veränderung der sinnlichen Anschauung in die geistige (...) und das ist die andere Welt..." Mit den Sinnen und unseren irdischen Gewohnheiten aber ist jene andere Welt unvorstellbar, denn die "Vorstellungen von der Geisterwelt" mögen noch so "klar und anschauend sein, wie man will, so ist dieses doch nicht hinlänglich, um mich deren als Mensch bewusst zu werden (...) Er ist frei, wenn dann endlich durch den Tod die Gemeinschaft der Seele mit der Körperwelt aufgehoben worden ..." Die nackte Wahrheit wird erst jenseits der Sinne erkennbar, und schon in der "Kritik der reinen Vernunft" heißt es: " (Im Tod) ... wird vielmehr klar gezeigt: dass wenn ich das denkende Subjekt wegnehme, die ganze Körperwelt wegfallen muß (...) die Erscheinung in der Sinnlichkeit (...) und eine Art Vorstellung desselben." Und später in den Vorlesungen heißt es sogar: "Wir sind uns itzt durch die Vernunft schon als in einem intelligiblen Reiche befindlich bewusst; nach dem Tode werden wir das anschauen und erkennen und dann sind wir in einer ganz anderen Welt, die aber nur der Form nach verändert ist, wo wir nemlich die Dinge erkennen, wie sie an sich selbst sind."

"Der Gedanke des Swedenborg ist hierin sehr erhaben (...) Er sagt: Alle geistigen Naturen stehen mit einander in Verbindung (...)"

Kant und Swedenborg waren sich in ihrer Grundhaltung nahe. Auch Swedenborg hat sich Gedanken gemacht über die Schwierigkeiten, seine übersinnlichen Erfahrungen in Worte zu kleiden. So sagt er, dass die Geisterwelt, nicht "anders reden" könnte, "als der Mensch es fasst, nemlich nach dem Schein und Betrug der Sinne." Und auch die Sprache "der Engel" wird als eine Art himmlische Wärme und Nähe "gefühlt", die der Mensch zwar auch in sich habe, sie aber in seine Wortsprache nicht übersetzen könne. Sogar die Geister benützten, um von uns gehört zu werden: Gedanken und Worte des Menschen ... "In Wirklichkeit redeten nicht sie, sondern ich..." Zu Swedenborg schrieb schon der junge Kant in den "Träumen" zustimmend, und der alte Kant wiederholt dass es "... so gut als demonstriert, und ich weiß nicht wo oder wann, noch bewiesen werden (wird), dass die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unauflöslichen Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, dass sie wechselweise in diese wirke und von ihnen Eindrücke empfange, deren sie sich aber als Mensch nicht bewusst ist, solange alles wohl steht.(...) und daher, was ich als Geist denke, von mir als Mensch nicht erinnert wird, und umgekehrt (...)" Der Tod aber ist bei Kant immer Übergang, Steigerung, Hoffnung, es gibt kein Grauen, keine Skelette, Leichen, sondern Licht, Wachstum, Fortsetzung geistiger Entwicklung. Und die Erde ist pädagogische Provinz, Erfahrungsbereicherung, die nach dem Tode "hinüber" genommen wird.

Aus einer unerträglichen Kluft zwischen dem so kurzen Leben und unseren unendlich reichen Anlagen, die in dieser Lebenskürze nicht entfaltet werden können, schließt Kant sogar mit apodiktischer "Gewissheit" auf eine seelische Tätigkeit nach dem Tode: "Also lässt sich von der Seele vermuthen, dass sie für eine künftige Welt aufbehalten sein muss, wo sie alle diese Kräfte anwenden und gebrauchen kann." Für Kant ist die Seele durch die Geburt (wie schon für Platon) in einem Kerker gefangen, der sie an ihrem geistigen Leben hindert: "Der Tod ist also eine Beförderung des Lebens, und ihr künftiges Leben wird erst ihr wahres Leben sein."

Kant rieb sich an Swedenborg, um die kritische Philosophie der Aufklärung zu begründen und kurz danach auch zu überwinden! Woran müsste sich Denken heute reiben, um zu seinen Gründen zu kommen? Es wären nicht nur die Atom- und Quantenphysik, die, wie Heidegger, später Weizsäcker formulierten, nicht in der Lage sind, sich selbst zu denken, und es wäre die Parapsychologie, dann die "Transkommunikation" mit Tausenden von "Stimmen" und Nachrichten aus der anderen Welt. Die Grenze zwischen Leben und Tod ist heute offener denn je, was zu einer Mutation der Menschheit beitragen könnte. Kant ist aktueller denn je, doch eine Aufklärung in seinem Sinne steht noch aus.

"Also lässt sich von der Seele vermuthen, dass sie für eine künftige Welt aufbehalten sein muss, wo sie alle diese Kräfte anwenden und gebrauchen kann."

Kant glaubt ja an das "Commercium von Leib und Seele, den Wechsel der Anschauungsart durch den Tod und eine Geistergemeinschaft schon zu Lebzeiten" wobei er sich ausdrücklich auf Swedenborg bezieht.





LITERATUR

Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L.W.Borowski, R.B. Jachmann und A.Ch.Wasianski. Hrsg. von Felix Groß. Berlin 1912.

Immanuel Kant: Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik. Textkritisch herausgegeben und mit Beilagen versehen von Rudolf Malter, Stuttgart 1976.

Immanuel Kant. Werke in 6 Bänden. Hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt/Main 1956 – 1964.

(1783), Vorlesungen über rationale Psychologie, in: Immanuel Kant: Vorlesungen über Metaphysik, AA (Ausgabe der preußischen Akademie der Wissenschaften) XXIX, 1. Hälfte, 2.Teil, Berlin 1983.

(1790), Vorlesungen über rationale Psychologie, in: Immanuel Kant: Vorlesungen über Metaphysik (1790), nach Pölitz, AA XXVIII, 5. Band, 1. Hälfte, Berlin 1968.

Wilhelm Lütgerts: Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende, 1923.

Carl du Prels (Hrsg.): Immanuel Kants Vorlesungen zur Psychologie, 1964.

Emanuel Swedenborg: Himmel und Hölle nach Gehörtem und Gesehenem. Aus dem Lateinischen von Friedemann Horn, Zürich 1977.

(1748), Arcana coelestia, Tom. 1-8, Deutsch: Himmlische Geheimnisse im Worte Gottes, 16 Bände, Swedenborg-Verlag, Zürich.

Ernst Benz: Vision und Offenbarung, Ebda, Zürich 1979.

Emanuel Swedenborg. Begleitbuch zu einer Ausstellung und Vortragsreihe in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Bearbeitet von Horst Bergmann und Eberhard Zwink, Stuttgart 1988.

Gottlieb Florschütz: Swedenborgs verborgene Wirkung auf Kant. Swedenborg und die okkulten Phänomene aus der Sicht von Kant und Schopenhauer, Würzburg 1992.

Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe, München 1975.

Uwe Schultz: Kant, Reinbek 1965.