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Donnerstag, 10. Februar 2011

Opfer sollen zu Tätern gemacht werden. Richtigstellungen. Zu einem Artikel von Markus Bauer in der NZZ vom 9.2.

Es sollte vorerst genug sein mit Artikeln zu diesem Thema, die diese „Beziehungshölle“ weiter vergiften, vor allem mit solchen Texten aus zweiter Hand, die nichts Neues bringen und die Aktenlage nicht kennen, und so auf Kommentare und Spekulationen angewiesen sind.
Erst wenn wieder Neues und aus erster Hand etwas zu berichten wäre, sollte die Diskussion wieder aufgenommen werden.

Der Fall Kittner war bekannt. Ebenso der Sperbers. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, sogar eine Kopie aus der rumänischen „Gauck“-Behörde CNSAS„Tabel verificare“ nr.9855/ 29.3.66 mit den auf mich angesetzten Spitzeln veröffentlicht, darunter „Stein Otto“ (Oskar Pastor) und „Ludwig Leopold“ (Alfred Kittner).
In meiner Akte (ca.2400 Seiten) tauchen beide mit Berichten über meine „staatsgefährdende“ Arbeit als Redakteur der „Neuen Literatur“, wo ich die Moderne wider den „sozialistischen Realismus“ vertrat. Ein Prozess gegen mich wurde vorbereitet. (In der FAZ, 16.1.1o in der ZEIT, in ttt , im Funk und in meinem blog (schlesak.blogspot.de) habe ich darüber berichtet.

Einige Aussagen im Artikel von Markus Bauer sind Halbwahrheiten oder falsch. So
etwa:

„Pastior habe, so wirft ihm der in Italien lebende Schriftsteller Dieter Schlesak vor, mit seinem Hinweis auf Schlesaks «moderne Dichtung» der Securitate Argumente geliefert, die Schlesak hätten höchst gefährlich werden können.“

Das ist keine Behauptung, dass sind Zitate aus Pastiors IM-Berichten gegen mich vom 4.11.65 und vom 21.3.66, und Offiziers-Zitate aus meiner Opferakte, es ergibt sich aus meiner Opferakte ein genaues Bild, dass diese Pastior-Berichte angefordert wurden, um genau jene „feindliche“ Tätigkeit zu beweisen, das steht in den Akten. Und in einem Maßnahmeplan (vom 2. Juli 1966) gegen mich, wo Pastior als Hauptagent figuriert, wird seine Aufgabe genau benannt, mich als „Staatsfeind“, der die Moderne vertritt, „zu überführen“.

Kittner wurde ebenfalls dazu angesetzt. Und er hat ebenfalls Negatives gegen meine Propagierung der „Moderne“ als Redakteur in der Zeitschrift „Neue Literatur“ geschrieben, wo ich meine Kollegen dazu angehalten hatte, ebenso zu schreiben.

Was dann dazu führte, dass ich von der Securitate-Paranoia zum „Anführer“ einer staatsfeindlichen Gruppe gemacht wurde. Worauf die Todesstrafe stehen konnte. Es gibt sehr viele Berichte von Kittner über meine „Moderne“ in meiner Akte, ebenso weitere von Pastior u.a.

Ich habe meine Akte bei der CNSAS angefordert, und werde mit genauen Belegen und Zitaten, ähnlich wie Sienerth, eine längere Analyse und Enthüllung über jene Neue Literatur-Zeit, den Beginn der modernen rumäniendeutschen Literatur, die dann bis zum Nobelpreis führte, schreiben. Und ebenso über diese Fälle und meine Verfolgung durch die Securitate, die mein Leben und meine Psyche gezeichnet hat.
Das alles gehört zur dramatischen Geschichte der rumäniendeutschen modernen Literatur! Meine positive und recht gefährliche Rolle dabei in de sechziger Jahren, heute bin ich fast der einzige Augenzeuge, wird nun, fast mit Securitatemethoden umgekehrt und in einer Gerüchteküche zur Diffamierung. Die Opfer sollen also nun die Täter sein?! Die Täter gar die Opfer?

Es ist geradezu absurd, unter diesen Bedingungen von einer „Täterakte“ zu sprechen, was Markus Bauer auch aus zweiter Hand und ohne Akteneinsicht übernimmt. Nämlich von Ernest Wichner. Der mir andauernd eine „Täterakte“ anhängt, wohl um Pastior zu entlasten, von ihm abzulenken, was bei ihm als Herausgeber seines Werkes und als Pastior-Stiftungsverantwortlicher, Preisverantwortlicher und Pastiorfreund für den Machterhalt auch sehr verständlich ist.

Ja, es gibt eine Art „Vorlaufakte“, wie sie Stefan Sienerth nennt (nach Walter) mit einer gefälschten Unterschrift, die vom Offizier, der mich „überzeugen“ sollte, IM zu werden, angelegt wurde, in der Hoffnung, dass ihm dieses geling! Und der verzweifelt war, weil e seinem Chef keinen Erfolg vorweisen konnte, sich entlasten musste

Es gibt als einen von ihm angelegten Dosier von 70 Seiten (von 2400 der Opferakte) Wo es keinen einzigen Bericht von mir gibt, auch keinen Maßnahmeplan oder „Tabel“ wie bei Pastior u.a. sondern nur Klagen des Offiziers über meine heftige, ja, aggressive Haltung gegenüber ihm, ja, der Securitate gegenüber, die ich als „unmoralisch“, „gewissenlos“ charakterisierte, und meine heftige Ablehnung jeder Mitarbeit. Ja, mein ausgesprochenes „Verbot“, mich noch anzurufen! All das werde ich in meiner Analyse mit gescannten Belegen nachweisen.

Es ist also eine Paradoxie aus Aktenunkenntnis, solche Dinge einfach zu übernehmen, wie diese: „Schlesak hingegen förderte die jungen Autoren der Aktionsgruppe Banat aus Temeswar. Der Mitbegründer der Aktionsgruppe Ernest Wichner ist sich aber heute sicher, dass Schlesaks eigene «Täterakte» nicht, wie von diesem behauptet, eine Fälschung ist, sondern einen Beleg für die IM-Tätigkeit Schlesaks darstellt. – Hier zeichnen sich epochen- und generationenspezifische unterschiedliche Perspektiven ab“.

Hat Bauer das nachgeprüft? Nein. Sonst hätte er dieses nicht schreiben können! Und Wichner hat den Inhalt dieser 70 Seiten einfach unterschlagen. Auf die 2400 der „Opferakte“, beides hat er angeblich in Bukarest angesehen, hat er „wissenschaftlich“ gar nicht erwähnt! Es ist klar, warum!

Es sind also Gerüchte, die kursieren und unter denen ich zu leiden habe. Aber auch eine Paradoxie und Fälschung, denn wie passt das eine zum anderen. Und wie wenig informiert Bauer ist, zeigt die Tatsache, dass er in diesem angeblich umfassenden Situationsbericht über die rumäniendeutsche „Beziehungshölle“. die wichtigste IM- Person, die die Aktionsgruppe ausführlich bespitzelt hat und Securitatephilologie betrieb, Werner Söllner, gar nicht nennt, ebenso wenig wie Peter Gross.

Auch die Spekulation zu meinem Text über die zwei Epochen der Securitate, zur Ceuauṣescu-Zeit, scheint mir aus Unkenntnis paradox, gar böswillig:

„Deutlich formuliert Dieter Schlesak in der Münchner Zeitschrift «Apozitia»: «Es ging nach 1964/65 nicht um Gefängnis, Lager und Folter, [. . .] sondern es ging nur noch um psychischen Terror.» …Die zunächst plausibel scheinende Argumentation Schlesaks zur historischen Entwicklung der Funktion der Securitate erscheint angesichts seiner Involvierung als eine in eigener Sache.“